„Hasseler“ und sein Orchester

■ Thomas Häßler war der überragende Spieler beim 4:1 des AS Rom gegen Inter Mailand/ Rekord für Milan

Rom (taz) — Rein äußerlich war eine halbe Stunde nach Schlußpfiff bei Matthias Sammer alles in Harmonie: Von der Krawatte übers Hemd bis zu den Socken zeigte sich der Fußballprofi in dezent abgestimmtes Blau gewandet. Seine Gefühle indes waren ziemlich durcheinander. Da klopften ihm die Journalisten im Interviewraum des Stadio Olimpico pausenlos auf die Schulter und versicherten, er sei der Beste seines Teams gewesen, was Sammer sichtlich geschmeichelt ein „Grazie“ abnötigte. Andererseits grummelte der Mittelfeldspieler im Dienste von Inter Mailand, dafür (und für sein Tor) könne er sich auch nichts kaufen: „4:1 verloren, was soll ich schön reden?“

Dem zweiten deutschen Beteiligten der Partie AS Rom gegen Inter ging es eindeutig besser. Thomas Häßler war, nach einer „interessanten Verletzung am Knie“ (Trainer Boskov) erstmals in dieser Saison vor heimischem Publikum am Ball, umjubelter Star des Tages. Nicht nur wegen seines wichtigen Tores zum 2:1 gleich nach 30 Sekunden der zweiten Halbzeit oder der Ruhe, mit der er Rizzitelli den vierten Treffer auf den Fuß legte: „Hasseler“, wie er hier von den Fans gerufen wird, hatte schlicht „das halbe Spiel alleine gemacht.“ (La Stampa).

Anfangs war das nicht ganz einfach. Inters Trainer Bagnoli hatte als erklärter Feind des offensiven Fußballs ein massives Bollwerk aufgebaut, weshalb viel quer- und zurückgespielt wurde. Grashoppers-Trainer Leo Beenhakker, am Mittwoch hier im UEFA-Cup zu Gast, konstatierte bei Halbzeit gelassen: „Nichts Interessantes.“

Bis eben Häßler traf und fünf Minuten später Giannini. Inter mußte nun nach vorn spielen, und Häßler begann, sein „grandioses Orchester“ (Gazzetta) zu dirigieren: schnappte sich fast jeden Ball, dribbelte, verzögerte das Tempo und flankte nach Belieben. Maulte Sammer Richtung eigene Abwehr: „Stark? Wir haben ihn selbst stark gemacht!“ Man dürfe den besten Fußballer Europas nicht unbehindert übers Feld toben lassen.

Es war höchste Zeit für den AS Rom. Vier Punkte und vier Tore nach fünf Spielen, da tat der erfolgreiche Sonntag „gut für die Moral und die Ruhe“ (Boskov). Zudem hat der Klub seit fünf Jahren nicht mehr gegen Inter gewonnen, weshalb der Sieg für den Trainer „mehr zählte als nur zwei Punkte“. Fürs Prestige taugt er und verbessert die Chancen im stadtinternen Wettkampf. Denn ebenso wichtig wie die Meisterschaft ist, den Konkurrenten Lazio hinter sich zu lassen. Es gab infolgedessen für die 61.000 Anhänger des AS Rom gleich neunmal Grund zum Jubel: Jedes über die beiden bunten Videotafeln vermeldete Tor aus Mailand, wo der AC 5:3 gegen Lazio gewann und mit 40 Siegen in Folge den 36 Jahre alten Rekord des AC Florenz einstellte, tat der Seele gut.

Ob er denn — mit Blick auf den Mailänder Nachbarn — die Meisterschaft bereits vergeben sehe, wurde Matthias Sammer gefragt. Da zeigte sich, daß der zumindest schon die große italienische Geste beherrscht. Ergriffen faßte er sich an Kopf und Herz: „Ich werde immer kämpfen.“ Herr Thömmes