Ein Bürgerrechtler gewinnt in Kamerun

John Fru Ndi von Kameruns „Sozialdemokratischer Front“ hat offenbar Staatschef Paul Biya bei den Wahlen besiegt/ Das Regime schweigt und erkennt seine Niederlage nicht an  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Das zentralafrikanische Kamerun bekommt allem Anschein nach einen neuen Präsidenten: John Fru Ndi, Buchhändler, Bürgerrechtler und Kandidat der oppositionellen „Sozialdemokratischen Front“ (SDF) bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen des Landes am 11. Oktober. Nach einer Zusammenzählung der Stimmen aus 98 Prozent der Wahllokale, die der taz vorliegt, führt Fru Ndi mit 41,03 Prozent vor dem amtierenden Staatschef Paul Biya mit 37,23 Prozent.

Kameruns Regierung allerdings erkennt diese Zahlen bisher nicht an, die im Lande selbst aber überall verbreitet sind. Bis Mittwoch letzter Woche veröffentlichte die Regierung ständig eigene Hochrechnungen, denen zufolge Biya in Führung lag, obwohl die eigentlich zuständige Nationale Wahlkommission noch gar nicht zusammengetreten war. Als die Provinzergebnisse dann vorlagen, verstummten die staatlichen Stellen. Am Freitag begab sich die Nationale Wahlkommission in Klausur, und das Innenministerium zog seine Rechnungen mit der seltsamen Begründung zurück, es habe sie mit den Ergebnissen der Parlamentswahlen vom März verwechselt. Doch war es den Oppositionsparteien sowie Teilen des Staatsapparates selber ein leichtes, die vorliegenden Ergebnisse zu addieren und an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Sieg Fru Ndis wird in allen Rechnungen bestätigt, wobei er nach der oppositionellen „Union der Völker Kameruns“ (UPC-Manidem) noch höher liegt.

„Meine Wahl ist ein Sieg des gesamten kamerunischen Volkes, ohne Ausnahme“, erklärte John Fru Ndi und rief seine Anhänger auf, „keine Handlungen zu begehen, die dem bisherigen Regime einen Vorwand liefern könnten, unseren Sieg zu trüben“. Nach der Wahl waren im Süden, wo Präsident Biya 96 Prozent der Stimmen erhielt, Anhänger der Opposition angegriffen worden.

Laut Wahlgesetz muß spätestens am 26. Oktober ein offizielles Endergebnis verkündet und danach vom Obersten Gericht bestätigt werden. Die Opposition befürchtet nun, daß die mehrheitlich aus Anhängern Biyas bestehende Wahlkommission nach Wegen suchen wird, das Ergebnis bis dahin noch zu verändern. In Erwartung regierungsgeschürter Unruhen rief Fru Ndi die Angehörigen der Streitkräfte auf, „sich zu weigern, erneut als Instrumente der Repression und der Spaltung zu dienen“. Vielleicht ist diese Aufforderung überflüssig – im Armeehauptquartier der Hauptstadt Jaounde wurde mehrheitlich gegen Präsident Biya gestimmt.

Das amtliche Schweigen über die offenkundige Wahlniederlage hat im Ausland kaum Reaktionen hervorgerufen. Lediglich die französischen Sozialisten äußerten Besorgnis über „Verzögerungen“. Kameruns Regierung hatte keine internationalen Wahlbeobachter zugelassen; einzig das vom US-Senat finanzierte „Institut für Internationale Angelegenheiten“ (NDI) hatte die Wahlen vor Ort verfolgen können. Das NDI sagte nach der Wahl, die Behörden hätten sich „am Rande der Legalität“ bewegt. So hätten sie keine Neueinschreibungen auf die Wahllisten zugelassen, obwohl deren Erstellung für die Parlamentswahlen im März von vielen Unregelmäßigkeiten begleitet worden war. Die SDF sprach zudem von „fiktiven Wahlbüros“ und „Vertreibungen der Oppositionsvertreter aus Wahlbüros, vor allem im Süden“.

Trotzdem konnte dies den Sieg Fru Ndis nicht verhindern. Fru Ndi gehört zu den Wortführern der Bewegung, die im Jahre 1991 mit einer Welle des zivilen Ungehorsams versuchte, das Regime zur Einberufung einer Nationalkonferenz zu bewegen. Seine „Sozialdemokratische Front“ war im Mai 1990 in der Illegalität gegründet worden und hatte die Parlamentswahlen vom März boykottiert.