Ost-Industrie klebt an der Talsohle

■ Wirtschaftsforscher: Aufschwung Ost nirgends zu sehen

Berlin (dpa/taz) – Selbst die nur vorsichtig optimistischen Erwartungen an die wirtschaftliche Gesundung in Ostdeutschland in diesem Jahr waren zu hoch gegriffen. Allein der Bau und allenfalls einzelne Dienstleistungsunternehmen verzeichnen einen Zuwachs. Dieses düstere Bild über die Wirtschaft in Ostdeutschland zeichnet in seinem gestern veröffentlichten Konjunkturbericht das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Der Anstieg im Baugewerbe vermochte die Verluste in der Industrie nicht auszugleichen. Das produzierende Gewerbe habe sich insgesamt nicht von der Talsohle lösen können, auf die es im ersten Halbjahr 1991 abgesunken war.

Selbst zurückgeschraubte Zukunftserwartungen bei auf niedrigem Niveau stagnierender Auftragslage und eine leicht verbesserte Geschäftslage in der Gegenwart ließen nur wenig Spielraum für eine baldige Belebung im verarbeitenden Gewerbe. Eine Befragung von 300 Unternehmen zeige, daß sich deren positive Erwartungen aus dem Frühjahr und Frühsommer als trügerisch erwiesen hätten. Alarmierend sei dabei der Einbruch der Geschäftsaussichten besonders bei den privatisierten früheren Treuhand-Unternehmen.

Die Verschlechterung der äußeren Rahmenbedingungen lasse befürchten, daß die beim Verkauf unterstellten Unternehmenskonzepte grundsätzlich überprüft und eventuell revidiert werden müßten. Eine Stagnation der Umsätze im zweiten Halbjahr gegenüber den ersten sechs Monaten würde bedeuten, daß das Umsatzniveau im ostdeutschen verarbeitenden Gewerbe 1992 noch einmal empfindlich gegenüber dem Jahr 1991 abfällt.

Als häufigste Wettbewerbsnachteile nannten die Unternehmen den geringen Bekanntheitsgrad ostdeutscher Betriebe sowohl in den alten Bundesländern wie auch auf internationalen Märkten. Mit zu hohen Kosten arbeitet nach eigenen Angaben fast jedes zweite Unternehmen. Überraschend schätzten nur 16 Prozent der Betriebe ihre Produkte qualitativ schlechter ein als jene der westlichen Konkurrenz. Drei Viertel der Befragten bewerteten ihre Produktpalette als absolut gleichwertig. Zur weiteren Verbesserung setzen die Unternehmen vorrangig auf die Rationalisierung der Fertigung und die Reorganisation der Unternehmensstruktur einschließlich des Managements.

Die großen Schwierigkeiten der ostdeutschen Industrie, im Westen Fuß zu fassen, zeigen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach wuchsen die Lieferungen der westdeutschen Industrie an Ostdeutschland dreimal so stark wie die Bezüge aus den fünf neuen Bundesländern.