: Arbeitertöchter erforschen ihresgleichen
■ Ein Uni-Workshop: „In der Fabrik hab ich mich aufgehobener gefühlt“
Dortmund (taz) – Wela kommt aus dem Sauerland. Ihr Vater ist Werkzeugmacher. Sie ist gut in der Schule und macht als einzige von vier Kindern Abitur. Sie wurstelt sich allein durch ein Lehramtsstudium. Kurz vor dem Examen bricht sie nervlich zusammen. Seitdem schiebt sie den Abschluß des Studiums vor sich her.
Mit dieser Karriere ist Wela ein typisches Objekt der Arbeitertöchter-Forschung. Und so fand ihre Biographie Eingang in den Workshop „Arbeitertöchter auf dem Weg in die Individualisierung“, der am Wochenende in Dortmund zu Ende ging. Die Organisatorin und Sozialwissenschaftlerin Anne Schlüter schwamm mit dem Thema gegen den Strom: Der Begriff der „Klasse“ als soziologische Kategorie ist „out“. Und auch die Frauenforschung kümmerte sich bisher kaum um die soziale Herkunft ihrer „Objekte“.
Nur knapp zehn Prozent aller Studentinnen an deutschen Hochschulen stammen aus einer Arbeiterfamilie. Auf dem Workshop waren sie dagegen äußerst zahlreich vertreten, die Töchter der Malocher. Und so entwickelte sich die Tagung auch zu einem regen Erfahrungsaustausch.
Aufstieg durch Bildung erfordert oft den hohen Preis der Isolation. Eine Studentin und frühere Schlosserin: „An der Uni bin ich als erstes in die Krise geraten. In der Fabrik habe ich mich aufgefangener gefühlt als an der Uni.“
Arbeitertöchter versuchen es allen zu zeigen: ihrer eigenen „Schicht“ – und der anderen. Ein selbstzerstörerischer Ehrgeiz treibt sie dabei an. Gleichzeitig herrscht aber auch die Angst, die eigene Schicht mit dem Aufstieg zu „verraten“. Denn oft genug bekommen sie in der eigenen Familie zu hören: „Du willst wohl was besseres sein.“
Die Uni ist eben ein Ort für Leute mit bürgerlicher Bildung. Selbst heute haben die Kinder von Malochern dort eigentlich nichts zu suchen. Die meisten Arbeitertöchter eignen sich zwar schnell die akademische Sprache an, fühlen sich in den universitären Hallen aber längst nicht so sicher wie Bürgertöchter. Ergebnis: Sie kommen auf dem eigenen und auf dem fremden Parkett ins Schleudern. „Ich bin Ingenieurin geworden“, meinte eine Teilnehmerin, „weil ich dachte: Dafür reicht meine Sprache noch aus. Für die Gesellschaftswissenschaften reichts nicht mehr.“ Karin Knöbelspieß
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