Drei Franzosen bleiben in Haft

Nach Festnahme französischer Juden in Rostock fürchtet der Oberbürgermeister nun ein antisemitisches Image für seine Stadt/ Staatsanwaltschaft verteidigt Verhalten der Polizei  ■ Von CC Malzahn

Berlin/Rostock (taz) – 24 Stunden nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen französischen Juden und deutschen Polizisten sorgt sich der Rostocker Oberbürgermeister, Klaus Kilimann, um einen möglichen „antisemitischen Ruf der Stadt“. Das Vorgehen der Polizei, die am Montag nachmittag über 40 Demonstranten – unter ihnen die „Nazi- Jäger“ Serge und Beate Klarsfeld– nach einer Sitzblockade und Aktionen im Rathaus der Hansestadt festgenommen hatte, wurde gestern von staatlicher Seite verteidigt. Gegen 46 Demonstranten wurden Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs eröffnet.

Oberstaatsanwalt Martin Slotty erklärte gegenüber der taz, die Polizei habe zunächst „sehr zurückhaltend“ reagiert, „obwohl die Demonstranten bereits Straftaten verübt hatten“. Die Polizei habe sogar zugesehen, als die Frontscheibe eines Autos zertrümmert worden sei. Der Fahrer des Wagens hatte versucht, die Sitzblockade zu durchbrechen. Die Polizeibeamten hätten eingegriffen, als die Demonstranten ein Zimmer der CDU im Rathaus aufgebrochen hätten.

Die meisten Gefangenen wurden bereits in der Nacht zum Dienstag aus der Untersuchungshaft entlassen, drei Franzosen bleiben jedoch in Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Gefangenenbefreiung und „besonders schweren Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ vor. Ihnen war es am Montag nachmittag gelungen, vier Demonstranten aus dem Polizeigewahrsam zu befreien. Nach Polizeiangaben sollen sie dabei auch Tränengas eingesetzt haben. Oberstaatsanwalt Slotty erklärte, daß die drei Festgenommenen im Falle ihrer Verurteilung mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren rechnen müßten. Einer der Festgenommenen habe erklärt, er sei Jude, die beiden anderen hätten keine Angaben zur Konfession gemacht.

Die meisten Demonstranten sind Mitglied der französischen FFJDF, zu deutsch: „Söhne und Töchter der aus Frankreich deportierten Juden“. Ihr Protest richtete sich gegen die rassistischen Ausschreitungen in Rostock und den jüngst vereinbarten deutsch-rumänischen Vertrag, der die Abschiebung von in Deutschland asylsuchenden Roma nach Rumänien regelt. An der Protestaktion in Rostock hatten sich auch einige Roma beteiligt.

Während die Rostocker Parteien – inklusive des Bündnis90– den Protest als „provokativ“ bezeichneten, wurde die Demonstration von der Roma Union Berlin begrüßt. Ihr Sprecher, Alfred Erdölli, erklärte gegenüber der taz, er sei froh, „daß sich französische Juden für die Belange der Roma einsetzen“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen: Die jüdischen Gemeinden feierten das Simcha-Thora-Fest.

Völlig unklar ist zur Zeit, was mit der von den Demonstranten am Rathaus angebrachten Gedenktafel passieren soll. Auf eine gemeinsame Textfassung hatten sich die FFDJF und der Rostocker Senat vor der Demo nicht einigen können.

Die französischen Juden hatten darin die Vernichtung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus mit den jüngsten Übergriffen in Rostock verglichen. Oberbürgermeister Kilimann hatte daraufhin – erfolglos – um eine „entschärfte“ Version gebeten.

Inzwischen haben sich Mitarbeiter des Jugend-Alternativ-Zentrums (JAZ) der Hansestadt bereit erklärt, die Tafel in der Originalfassung an ihrem Gebäude anzubringen. Kilimann bemüht sich inzwischen um Kontakt zum Zentralrat der Juden in Deutschland, um mit dessen Vorsitzenden, Ignatz Bubis, über eine veränderte Gedenktafel zu verhandeln. Gespräche mit der FFDJF lehnt Kilimann kategorisch ab.

Die zwischen 17 und 72 Jahre alten Demonstranten, die mit zwei Reisebussen nach Rostock gefahren waren, wurden für den gestrigen Abend wieder in Paris zurückerwartet.