Gert Bastian – Wehners General

■ Der Panzergeneral a.D. wurde zum Kronzeugen der Friedensbewegung

Mitte März 1979: in einer sicherheitspolitischen Debatte des Deutschen Bundestages bewertete der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner die sowjetische Rüstung als „defensiv“. Moskau habe trotz Überlegenheit in vielen Waffenbereichen nicht die Absicht, den Westen anzugreifen. Die CDU reagierte mit heftigen Attacken auf diese Äußerungen, denen damals auch Kanzler Schmidt und sein Verteidigungsminister wiidersprachen. Doch die Empörung der Unionspolitiker kannte keine Grenzen mehr, als ein Generalmajor der im fränkischen Veitshöchheim stationierten 12. Panzerdivision der Bundeswehr, Gert Bastian, am 21. März 79 Wehners Einschätzung öffentlich unterstützte. Und das auch noch ausgerechnet in der von der CDU als „kommunistisch und linksextremistisch“ verschrienen Berliner Tageszeitung Die Neue. Wörtlich erklärte Bastian: „Ich begrüße die Abrüstungsvorschläge des SPD- Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner und bin mit ihm der Meinung, daß die Rüstung in der Sowjetunion nicht offensiv, sondern defensiv ist.“ Diese nun wahrlich nicht radikalen Äußerungen, gemacht zu einem Zeitpunkt, als die Nato gerade an dem Bedrohungsszenario zur Begründung der Stationierung von Pershing II und Cruise-Missiles bastelte, bedeuteten den Anfang vom Ende der militärischen Karriere Bastians. Unter dem Druck der Konservativen wurde Bastian von Apel strafversetzt. Nach monatelangen, entwürdigenden Schikanen durch den sozialdemokratischen Verteidigungsminister nahm Bastian schließlich seinen Abschied. Er war seinerzeit der erste aus dem militärischen Establishment, der die Courage hatte, seine im Widerspruch zum offiziellen sicherheitspolitischen Konsens stehende Einschätzung öffentlich zu äußern. Er machte damit vielen Mut, die sich Jahre später dann ablehnend zur Stationierung von Pershing II und Cruise-Missiles äußerten oder sich als kritische Soldaten im Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ organisierten. Für Walter Jens, der sich mit Bastian in der Friedensbewegung engagierte, war er ein Mann, „der, lebten wir wirklich in einem Gemeinwesen der Freien und Gleichen, den Normaltyp eines Soldaten ausmachen würde: nachdenklich, unfanatisch, couragiert, intelligent“. Dieser Soldat aus Überzeugung wurde zum entscheidenden Kronzeugen der Friedensbewegung. Ein hoher Militär, der es wissen mußte, bescheinigte der Friedensbewegung, daß die „Nachrüstung“ ein enorm gefährliches Spiel mit dem atomaren Feuer sei. Mit Bastian bekam die Friedensbewegung ihre Breite, die Ablehnung der Atomrüstung wurde in Deutschland mehrheitsfähig. Doch zunächst stieß Bastian in der Bewegung bei vielen auf Berührungsängste und Vorurteile. Bei einer der ersten Veranstaltungen, auf denen Bastain nach seinem Abschied von der Bundeswehr öffentlich auftrat (am 12. 12. 1980 anläßlich des ersten Jahrestages des Doppelbeschlusses) beschwerten sich Zuhörer noch über seine „laute, knarrende Kasernenhofstimme“. Bastian blieb innerhalb der Aktiven der Friedensbewegung immer in der Minderheit. Zwar wurde er Abgeordneter der Grünen im Bundestag, doch zusammen mit seiner Lebensgefährtin Petra Kelly geriet er innerhalb der Partei bald ins Abseits und trat aus der Fraktion aus. Auch spätere Versöhnungen änderten nichts daran, daß Bastian Soldat blieb, wenn auch im von Jens beschriebenen Sinne. azu/jg