„Frauen als Opfer sind akzeptiert“

■ Ost- und Westfrauen ziehen Bilanz der Frauenpolitik in Berlin und Brandenburg/ „Alle reden über Gewalt, niemand über Gewalt gegen Frauen“

Mitte. Die Frauen – Opfer tierischer Staatsgewalt? „Frauen zwischen Bär und Adler“ – der Titel der Debatte zwischen Staats- und Projektvertreterinnen aus Berlin und Brandenburg vorgestern abend in der Berliner Stadtbibliothek ließ martialische Assoziationen aufkommen. Ganz so war es mit dieser Veranstaltung in der vom Westberliner „Frauenbund 1945 e.V.“ und dem Ostberliner „EWA-Frauenzentrum“ organisierten Reihe „Soll und Haben im Jahre 2 nach der Vereinigung“ wohl nicht gemeint. Dennoch drehte sich die Diskussion hauptsächlich um den neuen doppelten Opferstatus der Frau – als Geschaßte auf dem Arbeitsmarkt und als Geschlagene in der Familie.

Aber das ist so eine Sache mit dem Opfer. Sich ewig als solches darzustellen bringt nicht nur wenig weiter, sondern stabilisiert am Ende sogar die Männermacht. Eva Kunz, die in Potsdam unter Ministerin Hildebrandt (SPD) in der Abteilung Frauen arbeitet, sprach es als einzige deutlich an: „In unserer Männergesellschaft werden Frauen als Opfer ja so sehr akzeptiert. Auch als Frau kann man sich unheimlich toll da drauf setzen. Dabei sind Frauen stark genug, das nicht ewig sein zu müssen.“

Diese Einschätzung erfuhr durch Karin Kasch aus Cottbus indirekte Bestätigung: „Wir sind immer noch in der Phase, wo die Wut erst richtig wachsen muß.“ Und: „Viele Frauen in Brandenburg verkriechen sich jetzt, statt auf die Straße zu gehen und zu schreien.“ Barbara Umbsen vom Ersten autonomen Frauenhaus in West-Berlin ergänzte die These aus einer anderen Richtung. Sie ärgerte sich, „daß derzeit sehr viel über Gewalt geredet wird – aber nicht über Gewalt gegen Frauen“. Das Problem werde an Frauenhäuser und Institutionen abgegeben. Männern bleibt auf diese Weise erspart, so könnte man ergänzen, sich mit sexuellen und anderen Gewaltakten gegen Frauen und Kinder auseinandersetzen zu müssen. „Wir haben im Frauenausschuß immer wieder gefordert“, so Barbara Umbsen, „daß Mißhandlungen statistisch erfaßt werden. Das ist nie passiert.“

Auch im Hinblick auf die Frauenförderung im Arbeitsmarkt waren die Projektfrauen unzufrieden. Berlin, so Elke Sybel vom „Arbeitskreis autonomer Frauenprojekte“, befinde sich wohl schon „im Zeitalter des Postfeminismus“. Ein Vorwurf, den Helga Korthaase als Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen nicht auf sich sitzen lassen mochte: „Bitte keine Stimmungsmache.“ Der Konflikt ließ sich indes nicht ausdiskutieren, da sie zur nächsten Diskussion mußte. Anlaß: Ende der Förderung für das Männerprojekt „Mannege“... Ute Scheub