„Der Mann ist schlicht weltunverträglich“

■ „Mannege“, einem Projekt, das mit schlagenden Männern arbeitet, droht das Aus

Rathaus Schöneberg. Ein Frauenhaus nach dem anderen zu finanzieren, das helfe nicht, so Helga Korthaase, „ich kuriere nur ein bißchen und erreiche die Wurzeln nicht.“ Deswegen, so meinte die Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen vorgestern abend bei einer Podiumsdiskussion im Rathaus Schöneberg, dürfe die Senatsförderung der „Mannege e.V.“ nicht gestrichen werden. Anfang 1993 nämlich schon soll der 1987 gegründete und mittlerweile im „Haus der Demokratie“ ansässige Verein, der als eines der ganz wenigen Projekte in der Bundesrepublik Beratung und Therapie für gewalttätige Männer anbietet, kein Geld mehr kriegen.

Doch in der gutbesuchten Diskussion ging es um mehr als um „die Lächerlichkeit zweier ABM- Stellen“, wie Moderatorin Halina Bendkowski es formulierte. Nämlich um das gesamte „männliche Wertesystem“, so „Mannege“- Mitarbeiter Christian Spoden, und die männliche „Unfähigkeit, Konflikte zu lösen“. Für Manfred Richter vom „Haus der Kirche“ ist der Mann mit seinem Militarismus und seinen Ausbeutungsstrategien schlicht „umwelt- und weltunverträglich, er ist nicht mehr auszuhalten.“

Bis heute habe dieses Geschlecht „keine positiv definierten gewaltfreien Rollen entwickelt“. Die psychosoziale Arbeit von Mannege, deren Mitarbeiter sich just darum bemühten, sei deshalb eine „Aufgabe erster Ordnung.“

Politologieprofessor Peter Grottian spannte den Bogen noch weiter – bis zur Treuhandanstalt. „Mit dem ungeheuren Aufwand von 130 Milliarden“ werde heutzutage eine Art Staatskapitalismus gefördert, in dem die Diskussion, was denn gesellschaftlich sinnvolle Arbeit sei, überhaupt kein Platz mehr habe. Das Geschlechterverhältnis sei von der gesellschaftspolitischen Tagesordnung abgesetzt worden, faßte er den derzeit herrschenden Diskurs zusammen, und „wir reden nur noch über Etats und Milliarden“.

Vor diesem Hintergrund der strukturellen Gewalt in Politik und Ökonomie geriet der Satz von Mannege-Mann Christian Spoden, daß „in den traditionellen Beratungssettings die männliche Verantwortung für Gewalt nicht auftaucht“, geradezu doppeldeutig. Auch die SPD-Abgeordnete Ingrid Holzhüter hatte eine Menge Stoff zur Illustrierung der These beizutragen, wie Männer und männliche Politiker ihre Verantwortung wegleugnen, verdrängen, abschieben. Ein von SPD und CDU im Frühjahr formulierter Antrag, so ihr erstes Beispiel, habe zum Zorne der männlichen Abgeordneten das Wort „Männergewalt“ enthalten. Der Antrag habe „mehrfach verändert“ werden müssen, da diese sich „beschuldigt und verletzt“ fühlten. Zweites Beispiel: die Diskussion über Selbstverteidigungskurse für Schulmädchen. Immer wieder hätten die CDU-Männer eingewandt, es gäbe doch auch „gewalttätige Mädchen“ und „Knaben als Opfer“.

„Männer müssen das Thema Gewalt endlich annehmen. Für uns gehört Gewalt zum täglichen Leben wie Essen und Trinken“, kommentierte Joachim Lempert vom Hamburger Projekt „Männer gegen Männergewalt“, der 1984 gegründeten, damals europaweit ersten Beratungsstelle in diesem Bereich. Nicht nur wegen der betroffenen Frauen oder Kinder, sondern um ihrer selbst willen: „Zwei Drittel der Opfer von Gewaltakten sind Männer“. Das typische Opfer sei 24 Jahre alt, groß und kräftig. Mit einer weiteren These hätte der Hamburger gut in die (oben auf dieser Seite geschilderten) Frauenveranstaltung in der Stadtbibliothek gepaßt: „Frauen dürfen über ihr Opfersein diskutieren. Männer nicht.“ Ute Scheub