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Bundesbank verwirrt Spekulanten

Die Währungshüter haben in dieser Woche ihre Zinspolitik ganz leicht gelockert/ Das Signal kam zuerst nicht an und wurde dann überall von den Marktteilnehmern überinterpretiert  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Die Devisenspekulanten zeigten sich gestern verwirrt: Da hatte die Bundesbank nun tapfer über Wochen hinweg jedem Begehren der EG-Regierungen widerstanden, die hohen deutschen Leitzinsen deutlich zu senken. Alle hatten sie darum im großen Währungspoker auf die eisenharte Mark gesetzt – doch in dieser Woche plötzlich haben die deutschen Währungshüter sachte nachgegeben. So sachte, daß die Devisenhändler die Signale erst gar nicht verstanden, sie dann überinterpretierten, um schließlich in verwirrte Enttäuschung zu verfallen. Was also ist passiert?

Zum ersten Mal seit mehreren Wochen hatten die Bundesbanker den Geschäftsbankiers ein sogenanntes Wertpapierpensionsgeschäft zum sogenannten Zinstender angeboten. Ein Wertpapierpensionsgeschäft ist eine Art Auktion, bei der die Notenbank den Geschäftsbanken Geld zuteilt, für das die Banken wiederum Wertpapiere der Bundesbank (derzeit für zwei Wochen) „in Pension“ geben. In den vergangenen Wochen hatte die Bundesbank jeweils vorgegeben, zu welchem Zins sie das Geld herausgeben würde. Die Banken konnten lediglich sagen, welche Menge sie zum Zinssatz von (damals) 8,9 Prozent haben wollten. Im Unterschied zu diesem „Mengentender“ durften die Geschäftsbankiers gestern, beim Zinstender, von sich aus ein Angebot machen, welchen Zinssatz sie zu zahlen bereit wären. Dabei kam dann der niedrigere Zinssatz zwischen 8,75 und 8,8 Prozent heraus.

Als die Bundesbanker am Dienstag den Zinstender angekündigt hatten, glaubte die Bankenwelt jedoch, das Ziel sei, noch höhere Zinsen fürs Geld zu bekommen. Das Signal wurde erst verstanden, nachdem die Notenbanker öffentlich erklärt hatten, sie wollten im Gegenteil im Wertpapierpensionsgeschäft weniger Zinsen kassieren als bisher.

Nachdem Bundesbank-Vizepräsident Hans Tietmeyer dann noch hinzufügte, die Bundesbank wolle nicht dogmatisch nur auf die Geldmenge schauen, erwarteten die Spekulanten eine Senkung der Leitzinsen von Diskont- und Lombardsatz. Diese könnte allerdings erst der Zentralbankrat auf seiner Sitzung am kommenden Donnerstag beschließen. Nach der Euphorie an den Devisenmärkten am Dienstag nachmittag, welche den Kurs des US-Dollar um über zwei Pfennig steigen ließ, kehrte gestern erst mal Ernüchterung ein: Daß die Bundesbank „nur“ 36 Milliarden Mark statt der von den Banken geforderten 39,9 Milliarden Mark zuteilte, hätte „die Zinssenkungshoffnungen nicht erfüllt“, maulten die Marktteilnehmer.

In Belgien und den Niederlanden wurde das Frankfurter Signal hingegen positiv aufgenommen. Die Notenbanken senkten dort ihre Diskontsätze um 0,25 Prozentpunkte auf 7,75 Prozent. In der deutschen Exportwirtschaft machte sich leise Hoffnung breit, daß die D-Mark, die durch die Krise im Europäischen Währungssystem um rund acht Prozent an Wert gewonnen hat, wieder niedriger notiert werden wird. Das würde die Exportchancen erhöhen. Niedrigere Zinsen verbilligen zudem Kredite, was das Investieren erleichtert.

Auf der anderen Seite hat sich an den Gründen für die Hochzinspolitik, der Inflationsgefahr nämlich, nichts geändert: Der Staatshaushalt ist weiterhin auf Pump finanziert, die deutsche Wirtschaft schwächer, als die Stärke der D- Mark suggeriert. Im September dürfte sich die Geldmenge M3 (alles Bargeld, die Spareinlagen auf Bankkonten, Sichteinlagen und Termingeld enthält) noch stärker als bisher ausgeweitet haben – paradoxerweise als Folge der Hochzinspolitik: Durch die EWS-Turbulenzen flossen zusätzlich 100 Milliarden Mark in die Kassen der Bundesbank.

Weil die Bundesbank im Zweifel immer die Inflation als das größte aller Übel zuerst bekämpfen wird, ist die jetzige Zinssenkung wohl kaum als eine Tendenzwende der Bundesbankpolitik zu interpretieren.

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