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Scheinoffensive der CSU gegen Rechts

Union will rechten Wählerrand mit nationalistischen Tönen wieder zurückholen/ Konservative Zirkel machen Reps salonfähig/ CSU muß um Einzug ins Europaparlament bangen  ■ Von Bernd Siegler

Bayerns Innenminister Edmund Stoiber (CSU) und CDU- Generalsekretär Peter Hintze sind sich einig, wie selten zuvor. Es dürfe auf keiner politischen Ebene eine Zusammenarbeit mit den „Republikanern“ geben, fordern beide und drohen mit Parteiausschlußverfahren als Sanktion für alle unfolgsamen Parteimitglieder. Angesichts der Formierung sogenannter „konservativer Gesprächskreise“ in den Reihen der Unionsparteien, die explizit die Reps nicht von vornherein als Koalitionspartner ausschließen und gegen die „Sozialdemokratisierung der Union“ kämpfen wollen, wartet auf die Parteischiedskommissionen in Zukunft viel Arbeit.

Den Vorreiter dieser „neuen harten Linie“ der Union gegen die Reps spielte Bayerns Innenminister Stoiber. Zunächst verglich er in einer Regierungserklärung im bayerischen Landtag das Vokabular von Schönhuber mit „jenen Parolen, die den Nationalsozialisten den Weg zur Macht bahnten“. Dann zog Stoiber im Parteiorgan Bayernkurier vom Leder und bezeichnete die Rep- und DVU-Vorsitzenden Schönhuber und Frey als „politische Rattenfänger“. Der CSU-Europaabgeordnete Ingo Friedrich plant mit Blick auf das Ansehen Deutschlands im Ausland gar die Gründung einer überparteilichen Initiative zur Bekämpfung der Gefahr von rechts.

Aufgeschreckt haben die CSU- Spitze neueste Umfragenergebnisse. Demnach liegen die Reps in Bayern derzeit zwischen 17 und 19 Prozent und die CSU gerade noch bei mageren 45 Prozent. Der erste für die CSU entscheidende Urnengang im Wahljahr 1994 sind die Europawahlen, und dort benötigt die Partei mindestens 42 Prozent, um überhaupt ins Europaparlament einziehen zu können.

Schon allein aus dem Vokabular der CSU-Spitze geht hervor, daß es weniger um eine inhaltliche Abgrenzung gegenüber den Rechtsaußen-Parteien geht, sondern darum, die Klientel durch eigene nationalistische Thesen wieder zurückzuholen. So nannte Stoiber die Reps die „neuen Zerstörer Deutschlands“, die „mit blinder Verbissenheit gegen die nationalen Interessen unseres Volkes“ arbeiten würden. In einer Gesprächsrunde mit Journalisten in Regensburg argumentierte er, daß die „Integrationsfähigkeit des deutschen Volkes“ erschöpft sei. Vor dem CSU-Arbeitskreis Polizei tönte er in bester Schönhuber-Manier: „Wer Ausländer ungeregelt zuziehen läßt, der importiert auch Kriminalität.“ Zusätzlich stellt die CSU derzeit in einer Anzeigenkampagne die SPD-Landtagsabgeordneten als „die ewig Gestrigen“ an den Pranger, die einem CSU-Antrag zur Asylgesetzgebung ihre Zustimmung verweigert haben. Schon zuvor hatte CSU- Parteichef Waigel ein „stärkeres Herausstellen konservativer Persönlichkeiten“ bei der CDU gefordert. Waigel zeigte sich davon überzeugt, daß die Wahlentscheidung im Jahr 1994 „rechts von der Mitte“ fallen werde, und nahm konservative Gesprächskreise vor Kritikern in Schutz.

Diese Zirkel haben Konjunktur. Protegiert von der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit sprießen konservative Lese- und Diskussionskreise aus dem Boden. So wurde in Mecklenburg ein „Diedrichshagener Kreis“ gegründet, der sich als „Konservativer Interessenverbund in der Jungen Union“ versteht. Mit einem klaren „Nein zur multikulturellen Gesellschaft“ auf den Lippen, wenden sich die Jungunionisten gegen die Abschaffung der D-Mark, polemisieren gegen das „verschwommene Konzept einer konturlosen europäischen Kultursuppe“ und fordern ein Europa, das die „nationale Eigenständigkeit“ bewahrt. In der Juni-Ausgabe der Jungen Freiheit plädiert der bayerische JU- Funktionär Andreas Kalbitz „für einen rechten Aufbruch in der CDU/CSU“, der möglich sei, wenn bis dahin die wenigen „nonkonformistischen Rechten“ in der Union sich nicht „einer noch unverbrauchten politischen Kraft zugewandt haben“.

Im „Petersburger Kreis“ oder dem „Christlich-Konservativen Forum“ stufen rechte Unions-Mandatsträger die Reps ungeniert als koalitionsfähig ein. Der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Josef Weber läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Wenn eine Mehrheit gegen Rot-Grün zustande kommt, wird diese Mehrheit akzeptiert, egal, wer diese Mehrheit stellt.“ Auch der ehemalige bayerische Umweltminister Alfred Dick hält die politische Ausgrenzung der Reps für „falsch und den Interessen der CSU nicht dienlich“. Sein Amtsnachfolger Peter Gauweiler ist sich mit Schönhuber einig, daß man sich gegen eine „Esperanto-Währung“ zur Wehr setzen müßte. Beide fordern eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge. Schönhuber will in den nächsten Wochen mit seinen Reps auf die Straße gehen. Maastricht bedeute ein „Versailles ohne Krieg“, damit wolle man Deutschland „in eine babylonische Gefangenschaft treiben, damit wir unserer nationalen Identität beraubt werden“, schrieb er in der jüngsten Ausgabe der Parteizeitung.

Für den bayerischen Rep-Landesvorsitzenden Wolfgang Hüttl ist Stoibers „Offensive gegen Rechts“ lediglich ein „wahltaktisches Manöver“. Der Augsburger Blumenhändler frohlockt, daß die CSU-Basis die Linie der Führungsspitze nicht mehr verstehe. „An der Basis wird doch in Sachfragen schon lange bestens zusammengearbeitet.“ Er ist sich sicher, daß der letzte Trumpf der CSU für die Bundestagswahlen, die Verbindung mit der DSU in den neuen Ländern, nicht stechen wird. „Die DSU gibt es 1994 gar nicht mehr“, ist Hüttl überzeugt. Erst letzte Woche hat der stellvertretende DSU- Fraktionsvorsitzende im Jenaer Stadtrat, Dieter Lange, seine neue Heimat bei den Reps gefunden.

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