„Gefährliche“ Japaner

■ Vielen Chinesen ist die sprichwörtliche Tüchtigkeit der Japaner ein Dorn im Auge

Eine Bahnreise in China. Die Reisenden, aus allen Ecken des Landes zusammengewürfelt – Geschäftsleute, ArbeiterInnen, Angestellte und ein Bauer –, kommen ins Plaudern. Einer hat einen Sony-Walkman dabei. Zuerst kommt die Frage nach dem Preis, dann: „Die japanischen Produkte sind einfach besser, warum können wir sowas nicht herstellen?“ Es folgen allgemeine Bemerkungen über die schlechte Qualität und die kurze Haltbarkeit chinesischer Produkte.

Alle nicken und bestätigen, daß die einheimische Industrie schrecklich rückständig ist. „Unsere Manager und Beamten sind den Japanern nicht gewachsen.“ „Wir Chinesen sind einfach zu ehrlich und blöde. Die Japaner sind schlau. Die ziehen unsere Leute doch einfach über den Tisch.“ „Die Amerikaner sind nicht so schlau, aber ehrlicher“, wirft der Geschäftsmann ein und erzählt von seinen Erfahrungen mit ausländischen Handelspartnern. „Wir wollten einen Mercedes als Dienstwagen, aber dann haben wir doch nur einen Toyota gekriegt“, sagt der Kader. „Ja, die Japaner sind gefährlich.“ Der Ton wird schärfer: „Das liegt daran, daß sie unserer Kultur näherstehen und uns zu genau kennen. Und das nutzen sie skrupellos aus.“ „Dabei ist unsere Kultur doch viel älter“, wirft der Bauer ein, „die haben ja sogar unsere Schrift übernommen.“ Wieder allseits Zustimmung: „Ohne uns Chinesen hätten die ja gar keine Kultur.“

Gespräche über Japan und die Japaner – häufig ganz selbstverständlich als riben guizi, japanische Teufel, bezeichnet – wecken in China auch heute noch heftige Emotionen. Die Erinnerungen der Alten an die Grausamkeiten der japanischen Besatzung sind den Jungen durch Erzählungen, Filme und die Literatur übermittelt worden. Und jeder weiß, daß die Befreiung von „Semikolonialismus“ und „Feudalismus“, wie es in China heißt, mit dem Widerstand gegen die Japaner begann und 1949 in der Schaffung eines stolzen und souveränen Staates gipfelte. Und nun sind die Japaner wieder obenauf. Jutta Lietsch