Gegen die Mythenbildung

Diskussion über die Zukunft der unterirdischen Reste am Potsdamer Platz: Den falschen Führerbunker zugänglich machen oder zuschütten?  ■ Von Anita Kugler

Der „Fahrerbunker“ am Potsdamer Platz, der immer noch irrtümlicherweise von Berlin-Touristen, Wallfahrtsjüngern und sonstigen Neugierigen für den „Führerbunker“ gehalten wird, soll so bleiben, wie er jetzt ist; nämlich unter der Erde und unzugänglich weil verschüttet. Zwar steht der definitive politische Beschluß, die unterirdischen Kammern nicht unter Denkmalschutz zu stellen noch aus, aber angedeutet wurde diese Entscheidung am Mittwoch abend von Kultursenator Ulrich Roloff- Momin.

Sein Eindruck habe sich „verdichtet, daß dieser Bunker an dieser Stelle überbewertet werde“, sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung des „Aktiven Museums Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.“ zum Thema „Kultstätte oder Denkort – Was wird aus dem Bunker am Potsdamer Platz“. Allein in Berlin-Mitte gäbe es drei massiv gebaute Hochbunker, in denen viel eindringlicher das Grauen des Krieges dargestellt werden könnte, als ausgerechnet in den Schutzhöhlen der Kraftfahrer der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“. Die in den 10 mal 30 Meter großen Anlagen entdeckten Wandmalereien von blonden Maiden im Evakostüm und dem „heroischem“ Einzug deutscher Truppen in Griechenland könnten ja eventuell von den Wänden gelöst – so Roloff-Momins Vorschlag zur Güte – und im Deutschen Historischen Museum gelagert werden. Der Kultursenator distanzierte sich somit von den Ansichten, die er noch vor einigen Monaten geäußert hatte, nämlich Denkmalschutz für die Objekte, damit „Optionen für künftige Überlegungen offengehalten werden“.

Am traurigsten über diese Überlegungen, sofern sie in eine Entscheidung münden, wird der Leiter des Archäologischen Instituts Alfred Kernd'l sein. Er, der im Sommer mit seiner Option, die Anlagen unter Denkmalschutz zu stellen und sie für die Öffentlichkeit zu erschließen, für Aufregung sorgte (vgl. taz vom 22.7.), verteidigte am Mittwoch noch einmal seine Ansicht. Die Bunkerreste seien „Stachel im Fleisch“, seien eine provokative Erinnerung und Mahnung an die, die wissen wollen, was aus preußischer Geschichte geworden sei. Von den vor 250 Jahren angelegten Ministergärten und der von Albert Speer 1937 hineingepflanzten Neuen Reichskanzlei sei nichts anderes übriggeblieben als diese banalen Reste. Als „unbequemes Bodendenkmal“ müßten sie daher erhalten bleiben, die Vergangenheit dürfe nicht ins Museum abgeschoben werden. „Ich wehre mich gegen die Glattmacher der Geschichte.“ Die Gefahr, daß diese Bunkerreste zu einem neuen Wallfahrtsort für Neonazis werden könnten, hält Kernd'l für gering. „Unverbesserliche wird es immer geben.“

Für diese Ansichten erhielt Kernd'l viel zustimmenden Beifall aus dem Publikum. Dem Mythos vom Führerbunker an dieser Stelle könne nur durch Präsentation des „Fahrerbunkers“ begegnet werden, sagten viele. Die Anlage sollte Teil eines Antikriegsmuseums werden, so unter anderen auch Ex- Umweltsenatorin Michaele Schreyer. Eine Position, die auch die Diskussionsleiterin der Veranstaltung, Christine Fischer-Defoy, verteidigte. Der Bunker solle in Form einer „Dokumentation“ geöffnet und in die Aufklärungs- und Bildungsarbeit der Stiftung „Topographie des Terrors“ integriert werden. Reinhard Rürup allerdings, Leiter der Stiftung, wies diesen Vorschlag vehement und „entrüstet“ zurück. Er halte überhaupt nichts davon, den Fahrerbunker unter Denkmalschutz zu stellen, der Öffentlichkeit zu zeigen und um das Ganze einen Aufklärungsunterricht zu installieren. Dieses würde nur die Ernsthaftigkeit der Ausstellung auf dem Prinz-Albrecht-Gelände in Frage stellen. Die Bedeutung dieses Bunkers werde nur deshalb „hochgepunktet und aufgeblasen“, sagte er, weil jeder annähme, es sei der Führerbunker gewesen. Das stimme aber nicht, denn der läge 100 Meter weiter, tief unter dem Neubauviertel an der Otto-Grotewohl-Straße. Niemals könne dieses Mißverständnis ausgeräumt werden, wenn jetzt diese banalen Reste zum Museum hochstilisiert werden. Deshalb sollten die Anlagen zugeschüttet und von politischer Seite jeder Anspruch, daß die Anlagen wichtig seien, zurückgewiesen werden. Für Zuschütten plädierte ebenfalls Christoph Stölzl, Leiter des Historischen Museums. Die Bunkeranlagen erzählen nichts, „was wir nicht schon wissen“, meinte er. „Ein Glück“, meinte er abschließend, daß niemand bisher „die Hundehütte des Führers“ gefunden habe, um an dieser die „Banalität des Bösen“ zu dokumentieren.