Rotstift bedroht die Arbeit der Aids-Hilfe

■ Sparzwang für Haushalt 93 trotz wachsenden Bedarfs: 1,7 Millionen Mark fehlen

Berlin. Die Sparvorgaben für den Landeshaushalt 1993 gefährden die Arbeit der Berliner Aids- Selbsthilfegruppen. Darauf hat gestern Christine Christmann vom Landesverband der Berliner Aids- Selbsthilfegruppen (LABAS) auf einer Pressekonferenz der Fraktion Bündnis 90/Grüne hingewiesen. Obwohl die Zahl der Aids-Infizierten und -Erkrankten stetig steige und damit der Bedarf nach fachkundiger Hilfe und Betreuung wachse, würden im Bereich der Aids-Hilfe seit drei Jahren Kürzungen vorgenommen, kritisierte Frau Christmann. LABAS brauche zusätzliche Mittel in Höhe von 1,7 Millionen Mark, um sinnvolle Arbeit leisten zu können. Beim derzeitigen Haushaltsansatz von 5,88 Millionen Mark für die Aids- Arbeit müßten bestehende Gruppen ihr Angebot einschränken und Personal abbauen. Die Mitarbeiter seien an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt.

Nach Zahlen des Bundesgesundheitsamtes gibt es in Berlin rund 1.900 Fälle von Aids-Erkrankungen und rund 9.000 HIV-Positive. Schätzungen gingen jedoch davon aus, daß die tatsächliche Zahl der Infizierten bei rund 20.000 liege, sagte Frau Christmann. Rund 900 Aids-Kranke seien bereits gestorben. Der Bedarf an Pflege und Betreuung wachse auch deshalb, weil Aids- Kranke dank besserer Medikamente und Behandlungsmethoden heute doppelt so lange überlebten wie noch vor wenigen Jahren.

Die 1,7 Millionen Mark will LABAS auch für neue Projekte ausgeben. So soll eine stationäre Hospizeinrichtung mit Namen Lighthouse die Pflege schwerstkranker Menschen ermöglichen; wohnungslose und HIV-positive Menschen sollen im Projekt zuhause im Kiez unterkommen. Die Zwangsläufigkeit der Prostitution unterbrechen wollen Mitarbeiter von subway Berlin, die Übernachtungsstellen und einige wenige Übergangswohnplätze für Stricher einrichten wollen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Bernd Köppl, bezeichnete es als „gigantischen Fehler, wenn aus aktuellen Haushaltsengpässen Infektionsrisiken in Kauf genommen werden“. Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen schütze auch Menschen, die keiner Risikogruppe angehörten vor Ansteckung und sei zudem für die Gesellschaft kostengünstiger als die Beschränkung auf die Behandlung Erkrankter. mon