Petersberg in Potsdam

■ Ein ostdeutscher SPD-Ortsverein und die Asylproblematik

Potsdam (taz) – „Die Kapazitäten sind überschritten, irgendwann hat Deutschland keine Kapazitäten mehr, Deutschland ist irgendwann voll, kann nicht mehr.“ Auch Daniela Schulz, Mitglied im SPD- Ortsverein Potsdam-West, weiß nicht genau, wann die Grenze erreicht ist, doch sie spürt, „für mich ist sie sehr nah“.

Auf der Tagesordnung des Ortsvereins stehen am Mittwoch abend die Themen Asyl, die Petersberger Beschlüsse der Parteiführung und der grassierende Rassismus in Deutschland. Eine klare Sache, möchte man meinen, denn bislang hat sich noch keine SPD- Parteigliederung aus den neuen Ländern gegen die Asyl-Kehre ausgesprochen.

Dreißig von 110 Mitgliedern sind in die Potsdamer Hinzenburgklause gekommen und sehen sich gleich zu Beginn der Debatte drastisch mit dem ostdeutschen Rechtsradikalismus konfrontiert. Gerald Wood, Amerikaner, Landtagssprecher in Potsdam und Jusomitglied hat ein Video mitgebracht: Spiegel-TV: ostdeutsche Neonazis konzentriert. Da rufen Hitler-Darsteller zum Ausländer- Mord auf, stellen ihre „Spezialeinheiten für den Häuserkampf“ vor und höhnen über die Erpreßbarkeit des Staates: „...und wir werden ihn erpressen.“ Auch Manfred Stolpe – an diesem Abend entschuldigtes Mitglied des Ortsvereins – erscheint auf dem Schirm, sein Treffen mit dem Cottbuser Neo-Nazi Frank Hübner.

Das Material ist sichtlich zu brutal, als daß eine Diskussion darüber in Gang käme. Irgendwie „einseitig, aber trotzdem wichtig, daß das gezeigt wurde“, faßt der Ortsvorsitzende Karl-Heinz Hildebrand die Mischung aus Betroffenheit und Abwehr zusammen. Doch für die anschließende Asyl- Debatte zeigt der Beitrag doch Wirkung: „Ich habe Probleme“, formuliert ein Genosse sein Unbehagen, „wenn die SPD sich auf einen Kurs begibt, den man populistisch nennt.“ Einem anderen hat „noch niemand nachvollziehbar erklären können“, was die Änderung des Grundrechts zur Lösung des Problems beitragen kann. So begründet auch Wood seinen Antrag, die Petersberger Beschlüsse abzulehnen. Die SPD dürfe einfach „nicht nach einem heißen Sommer gleich das Grundgesetz ändern“. Auf überraschend hohem Niveau verteidigt die Ortsvereinsmehrheit an diesem Abend das Grundgesetz. Details aus dem noch nicht in Kraft gesetzten Asylbeschleunigungsgesetz werden da zitiert oder die Unterschiede zwischen Genfer Flüchtlingskonvention und Artikel 16 erläutert. „Petersberg“ hingegen findet an diesem Abend zwar heftige, doch eher ressentimentgeladene VerteidigerInnen: „Das Grundgesetz, ich finde es wunderschön, aber jeder kann sagen, ich brauche Asyl“, kritisiert Genossin von Conradi die herrschende Rechtslage. Den „großen Teil der Kriminellen unter den Asylbewerbern“ führt Martina Plischke für „Petersberg“ ins Feld. Jörg Haider, interveniert Andrea Schulz, habe kürzlich erklärt, Deutschland müsse begreifen, „daß da was faul ist“: „Das sagt auch Engholm.“ – Bei derart zwielichtiger Unterstützung kann am Ende auch das Abstimmungsergebnis – 15 zu 6 gegen die Asylrechtsänderung – nicht mehr überraschen. Vor allem die Jusos freuen sich verhalten über das Potsdamer Signal. Doch auf dem Landesparteitag, da sind sie sich eher sicher, wird es wohl anders ausgehen. Matthias Geis