Honecker trifft Mielke im Berliner Knast

■ Neuer Haftbefehl ausgestellt

Berlin (dpa) – Auf den Tag drei Wochen vor Beginn seines Prozesses am 12. November ist dem ehemaligen DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker am Donnerstag ein neuer Haftbefehl verkündet worden. Das Berliner Landgericht legt dem 80jährigen darin nunmehr die Tötung von 50 und die versuchte Tötung von 25 DDR- Flüchtlingen zur Last. Gleichzeitig wurden auch dem ebenfalls in Untersuchungshaft sitzenden Ex- DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler (72), dessen Stellvertreter Fritz Streletz (66) sowie Ex- Stasi-Chef Erich Mielke (84) ihre neuen Haftbefehle bekanntgegeben.

Erstmals nach dem Verlust seiner Macht, am 18. Oktober 1989, hat Honecker in der Sitzung wieder Kontakt mit einer Reihe von hochrangigen Mitgliedern der ehemaligen DDR-Führungsspitze gehabt. Laut Aussage seines Anwalts Wolfgang Ziegler sei Honecker spontan auf Mielke zugegangen und habe ihm die Hand geschüttelt. Honecker habe dabei gesagt: „Mensch Erich, hast wohl nicht gedacht, daß wir uns hier wiedersehen.“ Laut Ziegler habe der Vorsitzende Richter Hansgeorg Bräutigam jedoch die Unterredung sofort unterbrochen. Honecker habe darauf gesagt: „Das geht hier strenger zu als beim Volksgerichtshof.“ Honecker hatte sich Mitte der 30er Jahre vor diesem Gericht verantworten müssen und war damals als Regimegegner der Nazis zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Voraussichtlich zu Beginn nächster Woche wird das Gericht erneut über die Inhaftierung Honeckers entscheiden. Dabei werde es auch das zweite ärztliche Gutachten berücksichtigen, in dem Honecker ein schweres Leberkrebsleiden attestiert wird. In dem Befund hatte sich Gerichtsmediziner Volkmar Schneider dafür ausgesprochen, den Ex-SED-Chef aus der Haft zu entlassen.

Unterdessen gerät die 27. Strafkammer auch von seiten der Staatsanwaltschaft unter Druck. Der Generalstaatsanwalt vom Berliner Kammergericht, Dieter Neumann, kritisierte die Entscheidung des Gerichts, den Prozeß am 12. November zunächst nur im Hinblick auf zwölf Tötungsfälle zu eröffnen.