Was kommt hinten raus?

■ Ballaststoffe contra Backmischung: ein Streitgespräch zum Thema Vollkornbrot

Freitagnachmittag, 15 Uhr. Zwei Fahrräder mit gefüllten Taschen stehen nebeneinander im Ständer vor einem Supermarkt. Aus den Taschen guckt jeweils das Ende eines Brotes heraus: das eine ein in Folie eingeschweißtes Graubrot, das andere ein Ganzkornbrot, eingewickelt in Papier. Ganz zwanglos entsteht ein Gespräch zwischen den beiden.

Folienbrot(im folgenden Foliegenannt): Ey, Müsli! Paß' mal auf, daß du nicht aufweichst.

Ganzkornbrot (Korni): Was willst du denn, du Gummibrot?? Du bist doch jetzt schon weich!

Folie: Meine Verpackung ist aber hygienischer, sie verbrennt umweltfreundlich und ist grundwasserneutral. Zudem hat sie den „grünen Punkt“, kann also recycelt werden.

Korni: Ich kann gar nicht erst von jedem angegrabbelt werden. Mich packt die Bäckersfrau ein, die ein Gesundheitsattest hat. Meine Verpackung ist meistens aus Altpapier, welches auch wiederverwertet werden kann, was bei dir erst noch bewiesen werden muß!

Folie: Dafür bin ich überall zu haben. Ich kann in jedem Supermarkt gekauft werden und halte mich zudem noch lange! Ich werde sogar oft direkt im Laden mit einer fertigen Backmischung hergestellt. Da muß man noch nicht mal Bäcker sein!

Korni: Tja, mein Lieber, und genau das ist dein Problem. Durch deine Mehlmischung Type 405 sind in dir keine Ballaststoffe und nur wenige Mineralstoffe. Denn nur der Mehlkörper und nicht auch die Randschichten und der Keim sind in diesem Mehl vermahlen worden.

Folie: Ach, hör doch auf! Du kostest ja auch ein Schweinegeld. Mich kann man manchmal schon für 1,50 Mark bekommen!

Korni: Ich glaube ich muß mal mehr ins Detail gehen: Der „Sauerteig“, aus dem ich bestehe, entsteht innerhalb eines Gärungsprozesses durch die Lagerung von Mehl und Wasser in richtiger Konsistenz und bei besonderer Temperatur. Die sogenannte „Teigführung“ läßt sich in drei Stufen unterteilen.

Die erste Stufe ist für die Teiglockerung notwendig und dauert vier Stunden. Dabei wird Hefe und somit Kohlendioxid gebildet. Die zweite Stufe bringt nach elf Stunden Milchsäure und Essigsäure hervor. In der dritten Stufe wird der letzte Reifungsvorgang innerhalb von drei Stunden beendet. Zwischen den verschiedenen Stufen wird jeweils Mehl und Wasser zugegeben.

Diese lange Teigführung ist für den Abbau von „Phytin“ notwendig, das ist ein Inhaltstoff des Korns, der die Aufnahme von Mineralstoffen in den Körper hemmt.

Du siehst, daß allein zur Herstellung des Teiges Sachkenntnis und Geduld eine große Rolle spielen. Somit kann ich nicht so billig wie du sein. Außerdem muß man von sogenannten „Weißmehl“-Produkten wesentlich mehr essen, weil sie nicht so sättigend sind. So gesehen wirst du genauso teuer.

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Doch das Folienbrot hört nicht mehr zu. Sein Besitzer hat es zusammen mit ein paar Bierdosen nach unten in die Fahrradtasche gequetscht. Dem Ganzkornbrot tut es schon fast etwas leid, es faßt sich aber dann doch schnell wieder. Sich seiner Ballaststoffe bewußt, zitiert es einen bekannten Politiker: „Wichtig ist, was hinten rauskommt!“

Barbara Kreckel/Andrew Ruch