Spaltungstendenzen in der Fraktion: Die DVU und die Rechte

■ Über den NPD-Spaltpilz in der DVU: Nichts schadet den rechten Gruppeirungen so sehr wie ihr eigener Drang nach Spaltung

Es wird viel spekuliert über die Rolle, die die Münchner DVU-Zentrale für den Bremer Ableger spielt. So unklar und schwer beweisbar die finanziellen Abhängigkeiten sein mögen, so eindeutig sind die politischen. Von den engen personellen wie inhaltlichen Verbindungen zu den Frey-Druckerzeugnissen war ebenso schon die Rede, wie vom Versuch, öffentliche Gelder an die Firmen des großen Parteiführers fließen zu lassen. Es scheint, als sei der Draht nach München die Nabelschnur, ohne die die DVU völlig hilflos wäre. Die Antragsserie zum Haushalt erreichte Bremen per FAX aus München.

Dabei hat die DVU-Fraktion im ersten Jahr ein zerrissenes Bild abgegeben, wie keine andere: Deutlich wurde die Brüche zuerst am Ausscheiden Hans Altermanns aus Wut über die Wahl von Marion Blohm zur Fraktionsvorsitzenden. Altermann hatte nach vier Jahren Parlamentserfahrung und dem Spitzenplatz auf der Bürgerschaftsliste fest damit gerechnet, Fraktionsvorsitzender zu werden. Entsprechend groß war die Enttäuschung. Nach mehreren übereinstimmenden Aussagen soll Gerhard Frey höchstpersönlich mit jedem der Abgeordneten vor die Tür gegangen sein. Danach hatte Hans Altermann keine Chance mehr und verließ enttäuscht und verbittert Partei und Fraktion. Mit ihm gingen einige, unter anderem Erich Jüngling, der als nächster auf der Liste der DVU gestanden hatte. Seitdem rechnet Altermann zu jeder sich bietenden Gewlegenheit mit der DVU ab, zuletzt beim Begräbnis von Karl-Heinz Vorsatz, dessen Tod er der DVU anlastet. Dort verteilte er Kopien des Mißtrauensantrags der restlichen Fraktionsmitglieder gegen Vorsatz.

Karl-Heinz Vorsatz, bis zu seinem Tod im NPD-Bundesvorstand, träumte bis zuletzt von der Einigung der Rechten. Dafür hatte er viel aufs Spiel gesetzt. Über die Zusammenarbeit mit der DVU hatte sich die NPD gespalten. Der Bundesvorsitzende Mußgnug hatte mit der Deutschen Liga ein Konkurrenzunternehmen aufgemacht.

Doch schon nach kurzer Zeit zeichnete sich das Desaster des Vorsatz-Experiments ab. Allein in Bremen konnte zumindest nach außen die Zusammenarbeit aufrecht erhalten werden. In allen anderen Landesverbänden brach das Bündnis so schnell wieder auseinander, so mühsam es geschmiedet worden war. Im Kampf um die Vorherrschaft im rechten Lager hat der DVU- Vorsitzende Frey mit seiner Umarmungs- und Bündnisstrategie einen großen Konkurrenten ausgeschaltet.

Die NPD ist bundesweit am Ende. Als „gemäßigte“ Rechte hat ihr die CDU auf der einen Seite die Themen weggenommen, auf der anderen Seite hat sie die Zuspitzung des Ausländerthemas so wie die DVU oder die radikale Rechte nicht mitgemacht. Aus der vergangenen Bundestagswahl steht sie mit horrenden Schulden beim Bund in der Kreide. Nach den Wahlerfolgen bei der hessischen Kommunalwahl hatte die NPD im Vorfeld der gesamtdeutschen Wahl eine Vorauszahlung auf die mutmaßliche Wahlkampfkostenrückerstattung erhalten. Nach der vernichtenden Niederlage war es allerdings Essig mit Geldern aus Bonn. Entsprechend hoch sind die Schulden. Auf absehbare Zeit wird die NPD gegenüber der DVU oder den Republikanern keine Rolle spielen können.

Die Bremer NPD ist völlig am Boden. Innerhalb der DVU- Fraktion war es spätestens im Zuge der Auseinandersetzungen um die Einrichtung eines Fraktionsbüros zum offenen Bruch zwischen Karl-Heinz Vorsatz und dem Rest der Fraktion gekommen. In einem trocken formulierten Schreiben vom 12. Mai teilten die Fraktionäre mit ihrer Unterschrift ihrem Kollegen Vorsatz mit, daß er nicht mehr ihr Vertrauen habe, weil er sich nicht an der „knallharten Oppositionsarbeit“ beteilige: „Herr Vorsatz nimmt die Interessen der DVU-Fraktion nicht wahr, indem er an zahlreichen, von Etablierten organisierten Empfängen und Repräsentationsveranstaltungen teilnimmt und darüber hinaus in aller Öffentlichkeit das 'gute Klima innerhalb der Bürgerschaft‘ hervorhebt.“ Das sei „ein Kniefall vor den Etablierten“.

Zwischen den NPD-Männern Weidenbach und Vorsatz herrschte danach eine eisige Atmosphäre. Sobald der eine ans Rednerpult ging, verließ der andere den Saal. Von der Bürofrage über die Redethemen bis zu den symbolischen Aktionen der DVU-Fraktion gab es kein Thema mehr, bei dem sich Vorsatz eins mit der Fraktion gefühlt hätte. Dabei spielte eine große Rolle, daß die Marschrichtung der Fraktion in München festgelegt wurde. Vorsatz am Tag der Haushaltsberatungen: „Die Anträge zum Haushalt sind aus München gekommen. Die hab ich erst heute morgen gesehen.“

Bei der Auseinandersetzung um das Büro ging es nicht primär um die technische Frage, wie man die parlamentarische Tätigkeit sinnvollerweise organisiert: Es ging wie bei der Wahl der Fraktionsvorsitzenden vor allem darum, wie groß die Bremer Selbständigkeit gegenüber München sein durfte.

Am Ende war auch Vorsatz zum Paria in der eigenen Fraktion geworden, konnte sich aber nicht dazu entschließen, die Fraktion zu verlassen: „Ich habe die Einigung vertreten, jetzt kann von mir die Spaltung nicht ausgehen“, sagte er sichtlich angeschlagen in einem Gespräch einen Tag vor seinem Herzanfall. Mit seinem Ausscheiden hätte die DVU den Fraktionsstatus verloren. Es spricht allerdings viel dafür, daß er tatsächlich kurz vor dem Absprung gewesen sein muß, als ihn die schwere Herzattacke ereilte. Er hatte schon beim Bürgerschaftspräsidenten von Hans Altermann vorfühlen lassen, ob er im Falle des Austritts seinen Sitz in der Kulturdeputation behalten könne. Es scheint sicher, daß er nach seinem Ausscheiden aus der Fraktion mit Altermann eine parlamentarische Gruppe gebildet hätte.

Hans-Otto Weidenbach ist als amtierender NPD-Landesvorsitzender zur DVU übergelaufen und Ende August sogar von Frey zum DVU-Landeschef für Niedersachsen bestimmt worden. Bei der Jahreshauptversammlung der Bremer NPD Anfang Oktober im Huchtinger Dorfkrug legte Weidenbach den NPD-Landesvorsitz zwar nieder, aber nicht, weil er inzwischen Landesvorsitzender einer anderen Partei geworden war. Weidenbach bei der Sitzung: „Kameraden, da ich von der Parlamentsarbeit überlastet bin, kann ich den Landesvorsitz nicht weiter tragen.“ Die merkwürdige Verquickung von niedersächsischem DVU- und bremischen NPD-Landesvorsitz kam in der Versammlung mit keinem Wort zur Sprache. Kein Wunder, denn die Mehrheit der anwesenden 24 NPD-Mitglieder hatten auch das DVU-Parteibuch in der Tasche. Und Weidenbach gab den Ton an, nicht nur in seiner Rede zum Gedenken an den „Kameraden Karl- Heinz Vorsatz“: „Zwietracht und deutsche Politik sind nicht vereinbar.“ Seinen Nachfolger im Amte des Vorsitzenden hatte er gleich mitgebracht. Der Bremer NPD steht jetzt ein politisches Greenhorn vor: Mathias Jörger, ein 25jähriger angehender Schornsteinfegermeister. Nach Vorsatz Zusammenbruch gibt es niemanden mehr, der das brüchige Bündnis zwischen DVU und NPD noch verkörpern könnte.

Neben den Entwicklungen im parlamentarisch orientierten rechten Lager stellt sich in den letzten Wochen schärfer denn je die Frage nach der gewaltbereiten außerparlamentarischen Rechten. So überdurchschnittlich stark die DVU in Bremen sein mag, so schwach ist im bundesweiten Vergleich die Bremer Alt- und Neonazi-Szene. und es gibt keinen erkennbaren organisatorischen Zusammenhang zwischen beiden Szenen. Doch auch wenn die DVU den direkten Kontakt zu scheuen scheint, die geistige Verwandtschaft ist deutlich: Nach den Mordversuchen in Rostock war die DVU bei den Haushaltsberatungen bei allen verbalen Distanzierungen ganz aufgeblasen vor so viel Rückenwind.

Die DVU ist um Reputation bemüht und meidet den Kontakt zum Altnazi-Kreis um Ernst August und Gerda Hünecke, der sich regelmäßig im Intercity-Restaurant trifft und langsam ausstirbt. Zu Anfang seiner Parlamentskarriere soll Hans Altermann noch wirre Reden von Frau Hünecke vorgetragen haben. Das hat sich aber schnell gelegt. Ob es je Verbindungen zum SS-Kameradschaftskreis mit dem regelmäßigen Treffpunkt Vosteen im Ostertor gegeben hat, oder ob die Kandidatur von Erich Jüngling auf anderen Wegen zustande kam, das ist ungewiß. Institutionalisierte Kontakte auf der Bremer Ebene, soviel kann man sagen, sind eher unwahrscheinlich, weil es der DVU als Partei gerade an Institutionen und Apparat mangelt und weil sie auf München fixiert ist. Die Bremer Fraktion scheint nur wenig Energie darauf zu verwenden, Drähte zu anderen Organisationen zu spannen.

Immer wieder tauchen Vermutungen darüber auf, daß es enge Verbindungen zwischen der DVU und der aktionsorientierten Neonazi-Szene gebe. Das ist für Bremen nicht zu beweisen. Die Beobachtungen ergeben ein ganz anderes Bild: Die DVU distanziert sich nicht nur verbal, sondern scheut die Kontakte zu dieser Szene. Das mag auf rein taktischen Erwägungen basieren, ist aber als Faktum festzuhalten.

Grob gesprochen ergibt sich folgendes Bild: Die alten Rechten haben Geld, machen aber keine Aktionen, die Neonazis sind aktions- und damit gewaltbereit, haben aber fast keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Die Nationalistische Front um Thorsten Bunk beispielsweise hat größte Schwierigkeiten, die Fahrkarten für Wehrsportübungen in der Bielefelder Zentrale zu finanzieren. Ohne die Gefahren zu bagatellisieren, die von dieser Szene latent ausgeht: Selbst in Zeiten, die für Aktionen der rechtsextremen Szene „günstig“ scheinen, fehlt den Bremer Gruppen und Grüppchen die Kraft.

Zusammenfassend kann man nach der kurzen Betrachtung der rechten Szene festhalten: Sowohl in der parlamentarisch, als auch in der außerparlamentarisch orientierten Rechten kann man sich auf nichts mehr verlassen, als auf die Spaltungsenergie als Folge der Führerideologie. Sobald einer auftaucht, der nicht nur lesen, sondern auch schreiben kann, gilt er sofort als Konkurrent für den jeweiligen Chef.