Teil II: Wer macht wo nichts? Die DVU in den Deputationen

■ In den Ausschüssen der Bürgerschaft arbeit die DVU nicht — ihre Vertreter kassieren nur die Sitzungsgelder / Von Jochen Grabler

Das Verhalten der Deputations- und Ausschussmitglieder aus der DVU spiegelt genau das Bild, das die DVU auch bei den Plenardebatten bietet und ist in seinen Grundzügen mit nur wenigen Worten zu beschreiben: Sie tun nichts. All das, was Blohm und Co. in schäumenden Debatten den „korrupten Bonzen von den Altparteien“ vorwerfen, exerzieren sie seit nunmehr über einem Jahr selbst vor. Sie kassieren nach Kräften ab. Für 650 Mark pro Monat, zuzüglich 30 Mark Sitzungsgeld alimentiert die DVU ihre Mitglieder per Bürgerschaftsetat, ohne dafür auch nur einen Hauch inhaltlicher Arbeit zu leisten.

In der Hälfte der Deputationen sind Mitglieder der DVU vertreten, die nicht der Fraktion angehören. Kaum eine Bürgerschaftssitzung vergeht, in der nicht neue Deputations- bzw Ausschußmitglieder der DVU nachgewählt werden müssen. Die überdurchschnittlich hohe Fluktuation hat allerdings keinen Effekt auf die inhaltliche Arbeit: Wo nichts ist, kann auch nichts gestört werden.

Bei einer Rundfrage ergibt sich für alle Gremien dasselbe Bild: Entweder sind die DVU- Mitglieder nicht anwesend, oder sie sagen nichts. Von einer kleinen und neuen Fraktion kann erfahrungsgemäß noch nicht viel inhaltliche Initiative erwartet werden. Doch selbst wenn man der DVU eine Einarbeitungszeit zugute hielte: Womit käme eine Fraktion schneller in den parlamentarischen Prozeß, denn mit Fragen? Aber auch da ist Fehlanzeige. Sie fragen nichts, sie stellen keine Anträge, sie beteiligen sich nicht an inhaltlichen Diskussionen, sie begründen ihr Abstimmungsaverhalten nicht. Selbst in den Gremien, in denen die „klassischen“ DVU-Themen behandelt werden, sitzen die Deputierten stumm dabei.

Zum einen zeigt sich bei vielen eine intellektuelle Überforderung. Oft drängt sich der Eindruck auf, daß die DVU-Deputierten nur mit großer Mühe den

Debatten folgen können. Zum anderen tritt in der Arbeit diesseits des Bürgerschafts-Rednerpults das Dilemma dere DVU offen zutage: Sie ist ein Wahlverein mit vielen Mitgliedern, aber ohne politisches Leben. Ihr fehlt völlig die Verankerung in gesellschaftlichen Gruppen und Interessenverbänden oder Initiativen, geschweige denn in der Verwaltung. Der durchschnittliche DVU-Deputiuerte hat sich nicht inhaltlich vorbereitet, wenn er in die Sitzung geht. Die Zeit wird

abgesessen, wenn von der DVU überhaupt jemand erscheint. Einige ziehen es vor, die Pauschale ohne ihre Anwesenheit einzustreichen und auf das vergleichsweise magere Sitzungsgeld zu verzichten.

Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur NPD-Fraktion in den späten 60er Jahren: Die NPD hat sich nicht allein auf Fensterreden beschränkt. Sie konnte sich auf ein funktionierendes Parteileben stützen. Die

NPD-Fraktion repräsentierte eine ganz andere soziale Schicht: Handwerker, Unternehmer, Kaufleute - alteingesessene Bremer saßen da im Parlament, denen es im Traum nicht eingefallen wäre, sich der parlamentarischen Arbeit zu verweigern.

Das Verhalten der DVU beruht auf Strategie und Notwendigkeit. Die provokativen Reden entsprechen einerseits den Regieanweisungen aus München, andererseits gehorchen Abgeordnete wie Deputierte

dabei der schieren Not. Ohne in Dünkel zu verfallen muß man nüchtern feststellen: Zu mehr sind sie offensichtlich nicht in der Lage. Elisabeth Hackstein von den Grünen stöhnte: „Die machen ja nichts, wie soll ich mich denn mit denen auseinandersetzen?“

Die Rekrutierung der Deputierten scheint demselben Zufallsprinzip unterworfen zu sein, wie die der Bürgerschaftsliste. Daran ist zu erkennen, wie die DVU versucht, durch Alimentierung Bindungen zu schaffen. Mal ist es ein Beiratsmitglied, mal ein Taxiunternehmer, mal die Ehefrau eines Abgeordneten. In einem Rundfunkinterview erzählte eine Frau, wie sie auf die Beiratsliste der DVU geraten ist: Sie habe die Antwortkarte aus der Wahlwerbung nach München zurückgeschickt, dann sei eines Tages in der Mittagszeit einer von der DVU aufgetaucht. Sie habe gerade Schnitzel gebraten, als er sie so belagert hätte, daß sie schließlich entnervt die Kandidatur unterschrieben habe. Zur Wahl 1987 soll Frey persönlich entschieden haben, daß Hans Altermann wegen seines maritimen Berufs auf den Listenplatz eins kommt: Ein Schiffsingenieur paßte zu Bremen. Aber alle Personalentscheidungen unterhalb der Fraktion, und dazu zählt die DVU- Spitze die Deputationen und Ausschüsse zweifellos, werden nach dem Zufallsprinzip gefällt.

Wer macht wo nichts? So könnte die Überschrift zu der Aufstellung der DVU-Aktivitäten in den einzelnen Deputationen heißen.