Feldforschung Hausfrauenkunst

■ Potentiell subversiv peinlich / Ein Projekt von 20 Bremer KünstlerInnen im Schlachthof

Im Buch versteckt, auch von uns Ihnen vorenthalten: 22 Penisse.Foto: Holzapfel

Sie hat schon viel öffentliche Aufmerksamkeit eregt, die Ausstellungsreihe Feldforschung: Hausfrauenkunst, die am Sonntag im Schlachthof eröffnet wird. Zu den einzelnen Ausstellungen, die bis zum Sommer '93 gezeigt werden, gehören ein „manischer Haushaltsorganisationsplan“ und „Drucke mit Senf und Ketchup“, „absurde Haushaltsgeräte“ und eine „Familien

hierhin bitte das

Foto von dem

aufgeschlagenen

Buch

mordundtotschlags“-Installation. Das klingt verführerisch nach schöner Ironie und Sinn für derbe Komik.

Wer allerdings erwartet, die häusliche Küche als surrealistisches Zerrbild wiederzufinden, wer eine tragikomische Spiegelung von Familienalltag mit verzweifelter Mutter als Hauptperson erwartet, der liegt falsch. Jedenfalls bei der ersten Installa

tion: Vier Bremer Künstlerinnen, Marikke Heinz-Hoek, Imgard Dahms, Isolde Look und Edith Pundt, stellten in der „Galerie im Turm“ vier Schultische auf, ausgestattet mit Schreibtischlampe, Blumentopf und einem ungeheuer dicken Buch. Ein Studiensaal.

Das Buch ist ein Kompendium von Fotokopien alltäglicher Fundsachen: Zeitungsausschnitte, Fotos, Kochrezepte, kluge Sprüche, Kollagen, geordnet unter Kapiteln wie „Hausmänner“, „Mütter“, „Bild der Frau“, „Glück“. Viel Zeit und Ruhe braucht man, um die 800 Seiten zu durchforsten, um die geheime Ordnung zu entschlüsseln (und kann sich, beispielsweise, aufmuntern mit der Seite 571, die zwanzig abwechslungsreiche Männer- Penisse zeigt).

„Kunst von Frauen wird meistens per se als Hausfrauenkunst abgetan“, erklärt Edith Pundt, „und wir verstecken angestrengt, daß wir neben der künstlerischen Arbeit auch noch einen Haushalt zu versorgen haben, um bloß nicht abgestempelt zu sein. Gegen dieses Versteckspiel ist die Ausstellung gerichtet.“

Dodo Richter-Glück, Galeristin im Schlachthof, war die treibende Organisatorin der Feldforschung: Hausfrauenkunst. „Mich hat schon immer das subversive Potential von Peinlichkeit im familiären Haushalt höchst interessiert“, sagt sie. „Hausfrauenkunst, das ist eher ein symbolischer Ausdruck für private, häusliche Geheimnisse, die unter ein Tabu fallen. Das können so einfache Dinge sein wie die Situation einer Studentin, die ihr Kind mit in die Vorlesung nimmt und blöd angeguckt wird. Oder mein eigenes Thema, der Herzfehler in unserer Familie, den Großvater, Vater und ich haben - und sogar unser Hund... Das Peinliche ist für jeden etwas anderes.“

Zwanzig Bremer Künstlerinnen, darunter bezeichnenderweise nur zwei Männer, hat Dodo Richter-Glück für ihr Projekt erreicht. Geld für Honorare war nicht aufzutreiben. „Da fängt das Problem der Hausfrauenkunst schon an.“ Die Kulturbehörde gab 8.000 Mark für eine Dokumentation, die gute Sparkasse 2.000 Mark. „Die potentiellen Geldgeber sind meistens ältere Männer“, so Dodo Richter-Glück, „da kann man kaum mehr erhoffen.“ Cornelia Kurth