: War ASTA betrügerische Vereinigung?
■ Finanzprüfungsbericht: Vorsitzender hat in die eigene Tasche gewirtschaftet / Staatsanwaltschaft ermittelt
Grün-alternative Asta-ParoleFoto: Christoph Holzapfel
Haben Mitglieder des Bremer AStA in erheblichem Umfang Gelder der verfaßten Studentenschaft unterschlagen? Dies legt ein Bericht der Finanzprüfungskommission nahe, der zur Zeit hochschulintern für Aufregung sorgt. In diesem Bericht wurde die Amtszeit des letzten AStA von Mai 1991 bis 31.3.1993 untersucht In dem Schlußwort kommen die studentischen Rechnungsprüfer zu einem vernichtenden Urteil: „Bei der Prüfung konnte festgestellt werden, daß der 1. AStA-Vorsitzende Rudolf Winkler über den Verbleib erheblicher Mittel keine Rechnung gelegt, Gelder unbefugt verwendet, politischen Freunden zugeschanzt beziehungsweise in die eigene Tasche gewirtschaftet hat.“
Von der unbefugten Geldentnahme aus der Handkasse, getürkten Spesenabrechnungen bis zur Unterschlagung von 10.000 Marks-Beträgen reichen die Vorwürfe, die in dem Bericht akribisch herausgearbeitet werden. Die Richtigkeit unterstellt, ist auf der AStA-Etage offenbar kaum eine Möglichkeit ausgelas
sen worden, Geld für private Zwecke abzuzwacken.
Beispiel 1: Die Renovierung der AStA-Etage
Im Spätsommer 1991 veranlaßte der AStA-Vorsitzende Rudolf Winkler die Renovierung der AStA-Etage. Konkret hieß das: Eine Garderobe wurde zu einer Cafeteria ohne Installationen umgebaut, im Treppenaufgang und auf den AStA-Fluren wurde ein bißchen neue Farbe aufgebracht. Für die Durchführung der Arbeiten ließ sich Winkler einen Barscheck von 12.500 Mark auszahlen. Dann beauftragte er, ohne Verträge abzuschließen, gute Bekannte mit der Durchführung der Arbeiten. Die kamen auf eine Gesamtlohnsumme von 6.725 Mark, ohne dies mit Stundenzetteln zu belegen. „Der Augenschein weist die eingereichten Belege als Gefälligkeitsquittungen aus“, heißt es in dem Bericht. Nach Schätzung der Rechnungsprüfer war die geleistete Arbeit maximal 2.500 Mark wert.
Für Material rechnete Winkler knapp 3.800 Mark ab, rund
2.300 Mark zuviel, wie die Rechnungsprüfer glauben. Gekauft wurden Tischlampen, Küchenartikel, Regale, der WC-Sitz und die Plattenspielernadel.
Beispiel 2: Büromaterial
Am 20.11.1991 wurde vom AStA-Vorstand und dem Finanzreferenten ein Scheck über 3.500 Mark ausgefertigt. Winkler nahm den Scheck an sich, um Büromaterial zu beschaffen. In den AStA brachte er einen DIN A4-Karton mit Werbe-Kugelschreibern und gebrauchten Filzstiften. Als Abrechnung der 3.500 Mark brachte er drei Belege bei unter anderem über Briefmarken für 1.300 Mark, die nie in der Handkasse auftauchten. „Der dringende Verdacht einer Unterschlagung durch den 1. AStA-Vorsitzenden ist nach den Ermittlungen der Kommission gegeben; Betrug ist nicht auszuschließen“, meinen die Prüfer.
Beispiel 3: Die Sportreise
Um eine AStA-Sportreise vorzubereiten, erhielt Winkler einen Scheck über 3.000 Mark. Rund die Hälfte des Geldes setzte er in einem Sportartikel- Geschäft um, ohne daß aus den Rechnungen ersichtlich wird, wofür. 1.250 Mark ließ Winkler bei Wertkauf. Anhand der Artikelnummern rekonstruierte die Prüfungskommission den Inhalt des Warenkorbes. Darunter befanden sich neben zwei Eiskcreme (Marke Magnum) eine Radlerbrille, ein Daunenschlafsack, Sporttaschen, Sportbrille, ein Rucksäcke, eine Bettdecke und eine Kastenmatratze. Fazit der Kommission nach der Werrtkaufrecherche: „Dort, wo sich die Verwendung nachvollziehen ließ, lag augenscheinlich privater Bedarf vor.“
Beispiel 4: Prozesskostenhilfe
Roland Kasling, in früheren Jahren im AStA tätig, klagt gegen den Senator für Bildung um 10.000 Mark Bafög. Der bezweifelt, daß Kasling, wie dieser behauptet, 1986/87 als Finanzreferent im ASTA tätig war und deshalb über die Regelstudienzeit hinaus Anspruch auf BAföG hat. Kaslings Anwalt, schrieb an den AStA und begehrte erstens 2.000 Mark im Vorgriff auf das Anwaltshonorar und zweitens gleich die ganzen 10.000 Mark für Kasling. Der AStA-Finanzreferent fiel auf das Schreiben herein, zahlte brav und forderte erst nachträglich, als ihm Bedenken kamen, das Geld zurück. Winkler schrieb an den Anwalt: „Ich distanziere mich von dem Schreiben“, ein „Indiz, für eine gewisse Hilfesstellung durch Winkler, bei Kaslings Versuch, die AStA-Kasse zu erleichtern“, meint die Kommission. In der Tat müssen auch dem Anwalt Bedenken gekommen sein. Er erstattete das Honorar von 2.000 Mark zurück. Auf die 10.000 Mark, die Kasling aus der AStA- Kasse für seine privatrechtlichen Streitkeiten bekam, wartet der AStA noch heute.
Beispiel 5: Fahrtkosten
Nicht nur Winkler und Kasling erwiesen sich anscheinend als findig im Umgang mit den Zwangsbeiträgen der StudentInnen. Auch die Frauenreferentin Sieglinde Graenzer ist nach Ansicht der Kommission locker mit den Geldern umgegangen. Die beschaffte sich bei der Bundesbahn Fahrpreisbescheinigungen, die dort auf Anfrage ausgestellt werden. Diese Bescheinigungen über 566 Mark rechnete sie dann ebenso ab, wie 20 Mark für Spielkarten oder eine Restaurantrechnung über 117 Mark. Insgesamt berechnet die Kommission die Rückforderungen gegen die Frauenreferentin auf 1.411 Mark.
Beispiel 6: AStA-Sportreisen
Die teuerste Unternehmung des AStA scheinen die Sportreisen zu sein. Schon legendär ist der Ruf des ehemaligen AStA- Sportreferenten Hans Borgolte. Gegen Borgolte hat die StudentInnenschaft erfolgreich auf Rechnungslegung gezahlt. Laut Kommission schuldet er noch den Nachweis über mehrere 10.000 Mark. Inzwischen betreibt Borgolte mit der AStA- Adressenkartei ein privates Reiseunternehmen. Doch auch sein Nachfolger als Sportreferent, Joannis Malliaros, hat nach Ansicht der Kommission krumme Dinger gedreht: So verdächtigt die Kommission Malliaros, mit einem von Winkler gegengezeichneten Scheck über 10.000 Mark zur Deckung privater Schulden verwendet zu haben. Und noch einmal tauchen 10.000 Mark auf, deren Verwendung nicht geklärt ist.
Beispiel 7: Die AStA-Feten
Wurden AStA-Feten nur veranstaltet, damit sich eine Gruppe von Leuten an der Kasse schadlos halten konnten? Dieser Verdacht drängt sich nach Durchsicht der Kommissionsunterlagen auf. Allein für eine Fete am 19.10. kommt die Kommission auf eine Rückforderung an Winkler von 9.580 Mark.
Auch an einer Erklärung über die Unregelmäßigkeiten haben die Autoren Friedrich Rohde, Timm Budde und Claus Offermann gearbeitet: „Innerhalb des AStA haben sich diverse Einzelpersonen, Cliquen und hochschulpolitische Gruppen etabliert, die die Geldmittel der verfaßten Studentenschaft gleichsam als ihre Pfründe betrachten. Der Grundkonsens dieser Kreise läßt sich mit dem Stichwort 'keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus' ziemlich genau umschreiben.“
Der Kanzler der Universität nimmt die Vorwürfe ernst. Inzwischen wurde veranlaßt, daß eine Mitarbeiterin der Uni ab sofort mitzeichnen muß. Und zur Wertung heißt es: „Die festgestellten erheblichen Verstöße des AStA gegen bestehende haushaltsrechtlich Vorschriften und ggfs. gegen straftrechtliche Bestimmungen geben zu großen Bedenken Anlaß.“
Inzwischen ist auch die Staatsanwaltschaft aktiv. Nach viertägiger Prüfung wurde gestern ein Ermittlungsverfahren gegen fünf ehemalige AStA-Mitglieder eingeleitet. Holger Bruns-Kösters
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