FU-Professor in Untersuchungshaft

■ Dem Osi-Dekan Jacobsen wird vorgeworfen, Studien aus wissenschaftlichen Einrichtungen an die Stasi geleitet zu haben

Berlin. Der Generalbundesanwalt präzisierte gestern seine Spionagevorwürfe gegen den FU-Professor Hanns-Dieter Jacobsen, der am Mittwoch abend verhaftet worden war. In einer Pressemitteilung heißt es, Jacobsen habe in der Zeit von 1968 bis Ende 1989 geheimdienstlich für die Stasi gearbeitet. Der Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen habe Studien aus wissenschaftlichen Einrichtungen mit den Schwerpunkten Ost-West-Handel und USA an das MfS weitergegeben. Der Haftrichter trug Hanns-Dieter Jacobsen gestern die Anklagepunkte vor. Der Professor befindet sich jetzt in Untersuchungshaft.

Die Verhaftung Jacobsens hat am Otto-Suhr-Institut, dem er seit April dieses Jahres als Dekan vorstand, konsternierte Reaktionen ausgelöst. „Wir sind alle völlig überrascht. Er wird als integrer Kollege geschätzt“, sagte Christiane Lemke, Kollegin Jacobsens, in dessen Arbeitsstelle am Dahlemer Kiebitzweg. Ähnlich äußerte sich die Professorin Helga Haftendorn, die die Vorverurteilungen Jacobsens mißbilligte.

Auch an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen bei München gab es Überraschung. „Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter“, hieß es dort. Jacobsen habe keinen Zugang zu gesperrtem Material gehabt, sagte Albrecht Zunker von der Institutsleitung. Die Stiftung Wissenschaft und Politik berät Bundestag und -regierung auf verschiedenen politischen Feldern. Jacobsen hat zehn Jahre bis zu seiner Berufung zum Universitätsprofessor an der FU (1987) als externer Mitarbeiter für die Stiftung gearbeitet.

Hanns-Dieter Jacobsen ist 48 Jahre alt. Er studierte und promovierte an der FU Berlin in Wirtschaftswissenschaften. Die Veröffentlichungen des Professors haben die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen zum Thema, in den 80er Jahren publizierte er zur Ostwirtschaftspolitik der USA. Dorthin führten ihn immer wieder Forschungsaufenthalte, etwa nach Stanford, Washington und zuletzt 1991 an die Harvard University.

Die nach Jacobsens Rücktritt amtierende Dekanin des Otto- Suhr-Institutes, Gesine Schwan, hat für Montag zu einer Sondersitzung des Fachbereichsrates und einer Vollversammlung eingeladen, die um 18 Uhr im Henry-Ford-Bau stattfinden soll. Am Osi wurde Kritik darüber laut, daß die FU Jacobsens Namen bekanntgab. Christian Füller