„Heißer Krieg“ im Nordirak

Türkei verstärkt Bodentruppen im Kampf gegen die kurdische PKK/ Zusammenarbeit mit irakisch-kurdischen Peschmerga/ Unmut gegen Nordiraks Kurdenführer  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Entgegen den Erfolgsmeldungen in der türkischen Presse haben die militärischen Operationen der türkischen Armee und der irakischen Kurden gegen die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) vorläufig nicht zum gewünschten Ziel – der Zerstörung der PKK-Lager im Nordirak – geführt. Die Partisanen in den drei zentralen PKK-Lagern Batufa, Haftanin und Hakurk haben bislang den Angriffen widerstanden. Die Region ist seit fast zwei Wochen Bombenangriffen der türkischen Luftwaffe ausgesetzt. In einem Mehrfrontenkrieg rücken sowohl irakisch-kurdische Peschmerga als auch türkische Bodenverbände gegen die PKK vor.

„Die PKK hat das Gebiet zu einer Minenhölle gemacht“, begründete ein Offizier in der türkischen Tageszeitung Hürriyet die Schwierigkeiten bei der Offensive. Seit Donnerstag hat die Türkei ihre Bodentruppen im Irak verstärkt. Über fünftausend türkische Soldaten sind mittlerweile im Nordirak im Einsatz. Die türkischen Medien sprechen von einer „Großoffensive“ und einem „heißen Krieg“.

Die Offensive wird mit den irakischen Kurden koordiniert. Das kurdische Parlament im Nordirak hatte beschlossen, die PKK aus dem Gebiet zu vertreiben, was auch die Türkei erreichen will. Rund dreihundert bewaffnete Peschmerga kamen am Mittwoch zu dem türkischen Militärlager im Grenzgebiet, um sich über Ziele der türkischen Offensive zu informieren.

Für die irakischen Kurdenführer Jelal Talabani und Masud Barsani wird es jedoch schwieriger, ihren eigenen Kämpfern klarzumachen, daß sie auf andere Kurden schießen müssen. Jede Kritik an dem Krieg gegen die PKK ist in den kurdischen Medien im Nordirak verboten. Das Gerücht, daß 27 Peschmerga standrechtlich erschossen worden seien, weil sie sich weigerten, gegen die PKK vorzugehen, verbreitete sich im Nordirak wie ein Lauffeuer. Der innenpolitische Druck auf die kurdische Führung im Nordirak wächst. Vier Minister der kurdischen Regierung sind inzwischen zurückgetreten. Die Rücktrittsursache – der Krieg gegen die PKK – wurde verheimlicht.

Die irakischen Kurdenführer wollen eine Eskalation verhindern. Seit zwei Tagen schon herrscht Feuerpause zwischen den Peschmerga und der PKK in der Region Haftanin. Das von der PKK ausgerufene „Embargo“ gegen Irakisch-Kurdistan zeigt Wirkung. Aus Angst vor Vergeltungsschlägen der PKK weigern sich türkische Lastwagenfahrer, nach Irakisch-Kurdistan zu fahren. Auch aus Syrien kommen wegen des PKK-Embargos weder Lebensmittel noch Heizöl; beides wird dringend benötigt. Die Regierung war gezwungen, den Preis für Benzin von fünf Dinar pro Liter auf zehn Dinar hochzusetzen.

Unterdessen hat der türkische Außenminister Hikmet Cetin am Freitag bestritten, aus Deutschland stammende Waffen in ihrem Kampf gegen militante Kurden einzusetzen. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Die Türkei beachte die entsprechenden deutsch-türkischen Vereinbarungen, erklärte Cetin.

So werde auch der aus Beständen der ehemaligen DDR-Volksarmee stammende Schützenpanzer BTR-60 grundsätzlich nicht eingesetzt, hieß es in der in Ankara verbreiteten schriftlichen Erklärung. Bei anderslautenden einzelnen Vorwürfen und Behauptungen müßten die deutschen Behörden die Situation „im Rahmen des Respekts der türkischen Regierung vor den Menschenrechten, rechtsstaatlichen Prinzipien und Grundfreiheiten“ bewerten.

Cetin gab in seiner Erklärung allerdings zu, daß am 6. September dieses Jahres nahe Cizre in der Provinz Sirnak ein aus Deutschland stammender Schützenpanzer eine aufgefundene Leiche weggeschleift hat. Unter dem Toten sei eine Bombenfalle vermutet worden. Journalisten und Sicherheitsinspektoren seien zugegen gewesen; die Tatsachen seien jedoch völlig verdreht veröffentlicht worden.