Der Kraftzwerg, der im Keller steht

In den Ostbezirken hat erstmals ein selbstverwaltetes Haus ein eigenes Gaskraftwerk/ Im Keller helfen Automotoren gegen den Treibhauseffekt/ Kein Geld von der Umweltverwaltung  ■ Von Dirk Wildt

Prenzlauer Berg. Keine Frage, Automotoren verursachen enorme Umweltprobleme. Dieser Vorwurf trifft weniger zu, wenn die Motoren in den Keller gestellt werden und Wohnhäuser sowie Gewerbebetriebe mit Strom und Warmwasser versorgen. Die Bewohner der beiden selbstverwalteten Häuser in der Rykestraße 13/14, die sich zur Genossenschaft „Selbst Bau“ zusammengeschlossen haben, nahmen am vergangenen Samstag zwei gasbetriebene Ottomotoren in Betrieb. Damit läuft in einem Ostberliner Wohnhaus das erste gasbetriebene Blockheizkraftwerk (BHKW).

„Es sind Leute wie Sie, die neue Lösungen im Energiebereich bieten“, sagte bei der Inbetriebnahme Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) vor über 200 Gästen. Mit Hilfe der dezentralen Energieversorgung könnten sich die beiden Stromversorgungsunternehmen Bewag und Ebag den Bau neuer Kraftwerke sparen, zudem entlasteten die Kraftwerke im Keller die Luft in der Stadt.

Und das ist wichtig. Nach dem von Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) kürzlich vorgestellten „Energiekonzept“ pustet Berlin Jahr für Jahr 31 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus Ofenheizungen, Industrieschornsteinen und Autoauspuffen in den Himmel und heizt so die Erdatmosphäre auf. Deshalb hat sich die Stadt mit ihrem Beitritt zum Klimabündnis europäischer Städte verpflichtet, den jährlichen Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Berlin könne aus eigener Kraft den Ausstoß des Treibhausgases aber nur um ein Viertel mindern, sagte damals Hassemer. Für die Reduzierung um dieses Viertel seien alle erdenklichen Maßnahmen nötig – auch der Umstieg auf Blockheizkraftwerke.

Mit den Kellerkraftwerken könne im Energiesektor kurzfristig sogar die größte Schadstoffverminderung erreicht werden, sagte Samstag abend Thomas Otte vom Energiekontor, das die „Selbst Bau“ beriet. Nach Berechnungen der Hamburger „Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch“ (ASUE) komme von der in dezentrale Blockheizkraftwerke „hineingesteckten“ Energie bei Mietern und Gewerbetreibenden neun Zehntel an – durch die Nutzung von Strom und Wärme sowie wegen der kurzen Wege zum Verbraucher. Bei zentralen Heizkraftwerken – in Berlin existieren elf Stück – sinke die Energieausbeute bereits auf ein Dreiviertel, bei Kraftwerken, die nur Strom produzieren, sogar auf ein Drittel.

Thomas Albrecht, der am Kreuzberger Leuschnerdamm 19 wohnt und dessen Hausbewohner sich ebenfalls mit einem BHKW selbst versorgen, rechnete vor, daß 13.000 gasbetriebene Automotoren genausoviel Energie lieferten wie das Bewag-Kraftwerk Oberhavel mit seinen 200 Megawatt – die Kohlendioxidemission aber würde sich halbieren. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, was Automotoren in Kellern zu leisten vermögen. Dennoch können 13.000 Zwerge keinen Giganten ersetzen, weil jeder Kraftwerkstyp spezifische Vor- und Nachteile hat. Der größte energiepolitische Vorteil liege in einer Kombination beider Kraftwerkstypen, sagte Albrecht.

Bei der Inbetriebnahme der beiden Ford-Automotoren in der Rykestraße mußten sich Meisner und Hassemer Kritik gefallen lassen. Die Wirtschaftsverwaltung besteht darauf, daß „Selbst Bau“ für seine Anlage ein Energieversorgungsunternehmen gründet. Für Otte „kleine Sticheleien“. Und die Umweltverwaltung hat die Anlage nicht gefördert. Das Energiekontor hatte eine falsche Auskunft erhalten. Das Mißverständnis klärte sich erst auf, als die Antragsfrist verstrichen war.