Zoff um 91 Millionen

■ Die Athleten fordern ihren Anteil am lukrativen Fernsehvertrag der IAAF

Prag (dpa/taz) – Daß es in der internationalen Leichtathletik weniger um die Bewältigung der Doping-Problematik geht als darum, wie man am meisten abkassiert, bewies auch der Kongreß der Leichtathleten in Prag. Primo Nebiolo, der berüchtigte Präsident der Internationalen Leichtathletik-Föderation (IAAF), hat einen Vier-Jahres-Vertrag über 91 Millionen Dollar mit der Europäischen Fernseh-Union (EBU) abgeschlossen. Von diesem Batzen wollen natürlich auch andere etwas abhaben. Meeting-Direktoren und Manager fordern für die Athleten, daß der Gewinn eines WM- Titels mit 100.000 Dollar entlohnt wird, zusätzlich einen Extra-Bonus bei Weltrekorden und einen Fonds für den Ruhestand.

Doch Nebiolo erklärte schlicht, nicht zahlen zu wollen, auch nicht in den nächsten Jahren. Selbst der angedrohte Boykott für die Weltmeisterschaften in Stuttgart beunruhigt den Italiener nicht. „Die besten Athleten werden kommen“, ist er fest überzeugt. Damit sich das Meckern in Grenzen hält, läßt er zum Grand-Prix-Finale am 10. September kommenden Jahres die Prämien tüchtig erhöhen: 2,3 Millionen Dollar Preisgeld werden ausgeschüttet. Der Disziplinsieg bringt 30.000 Dollar (bisher 10.000) die beiden „Overall“-Gewinner werden mit 100.000 Dollar (bisher 25.000) belohnt.

Nebiolo nimmt so den erhobenen Forderungen den Wind aus den Segeln und wertet zudem das Finale sportlich auf. Bisher waren die Athleten zu diesem späten Saison-Zeitpunkt schon reichlich lustlos und reisten oft nur zum Abkassieren an. Die Manager, mit zehn Prozent an den Einnahmen ihrer Sportler beteiligt, bewerten das Zugeständnis als einen Sieg. „Die erste Runde dieses Boxkampfes haben wir gewonnen“, so Tom Jennings, Generalsekretär der Anfang September gegründeten „International Association of Athletes Representatives“ (IAAR).

„Unsere Forderungen sind die logische Konsequenz für die Entwicklung der Leichtathletik in den letzten Jahren“, meinte der Österreicher Robert Wagner, Manager von Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler aus Jena. Die Athleten hätten mit ihren Leistungen die Sportart populär gemacht, da stehe ihnen auch etwas aus dem Pott zu. „Man soll niemals nie sagen“, so Wagner zur ablehnenden Haltung Nebiolos. An einen Boykott für Stuttgart glaubt auch er nicht: „Soviel Einfluß und Kontrolle haben wir nicht.“

Auch die Meeting-Direktoren sehen ihre Felle davonschwimmen. „Was bleibt finanziell nach dem Nebiolo-Deal mit dem Fernsehen noch für uns. Wir wollen mehr als die 25.000 Dollar Zuschuß pro Grand-Prix-Meeting durch die IAAF“, fordert Rudi Thiel, Organisator des Berliner ISTAF. Malmö hat schon das Handtuch geworfen, Helsinki pausiert, vier weitere Meetings in Europa sind wegen fehlender Finanzen geplatzt. Thiel sieht sich bestärkt, über das „Golden Four“- Projekt zusammen mit Zürich, Brüssel und Oslo einen neuen Weg zu gehen. Ein Fünf-Jahres-Vertrag mit der Hamburger Ufa Film- und Fernseh-GmbH soll die weltweite Vermarktung sichern.