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Heile Welt für eine Königin

■ Nachrichtensperre erschwert Aufklärung des Anschlages auf Ravensbrücker KZ-Gedenkstätte

Berlin (taz) – Hat die brandenburgische Landesregierung versucht, den Anschlag auf die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück zu verheimlichen, um der britischen Königin Elizabeth II ein geläutertes Deutschland zu präsentieren? In einem Interview mit der taz hat der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, jetzt von Ministerpräsident Manfred Stolpe die „rückhaltlose Aufklärung“ der verspäteten Bekanntgabe des Anschlages verlangt. Es dränge sich der „schlimme Verdacht“ auf, daß zwischen der späten Information der Öffentlichkeit und dem Besuch der Queen, unter anderem in Potsdam, ein Zusammenhang bestünde.

Die jüdische Gemeinde Addas Jisroel aus Berlin formuliert es noch schärfer: Offenbar sei die Freigabe der Information verzögert worden, um die Queen „nicht mit der rauhen deutschen, rassistischen Wirklichkeit“ zu konfrontieren, heißt es in einer Erklärung.

Nach Angaben des Berliner Vertreters des Zentralrats, Peter Fischer, hat sein Büro bereits am Freitag auf Grund eines Hinweises aus Ravensbrück beim brandenburgischen Kulturministerium um Auskunft darüber gebeten, ob ein Anschlag verübt worden sei. Der dortige Pressesprecher, Ferdinand Nowak, habe den Sachverhalt bestätigt. Nowak habe erklärt, es sei auf eine Presseerklärung verzichtet worden, „damit sich die Täter nicht in der Medienaufmerksamkeit sonnen können.“

Die Staatsanwaltschaft in Potsdam hatte noch am Freitag behauptet, der Anschlag sei bekanntgegeben worden. Am Freitag abend behauptete die Pressesprecherin des Innenministeriums, Helga Wanke, gegenüber dpa das Gegenteil: „Ich darf nichts sagen, Nachrichtensperre.“ Inzwischen hat das brandenburgische Justizministerium „die späte Herausgabe der Information“ bedauert – in Wirklichkeit war aber nichts herausgegeben, sondern eine entsprechende taz-Anfrage am Freitag von der Potsdamer Staatsanwaltschaft bestätigt worden. Justizminister Hans Otto Bräutigam behauptet nun, er habe Journalisten gegenüber den Brandanschlag am Donnerstag „erwähnt“. Er sei davon ausgegangen, „daß die Nachricht bereits bekannt ist.“

Selbst wenn die Nachrichtensperre „nur“ das Resultat einer Folge von Pleiten, Pech und Pannen war: „Der Queen Besuch wäre anders abgelaufen, wenn der Anschlag bereits am Mittwoch bekanntgewesen wäre“, weiß die Berliner Korrespondentin der englischen Boulevardzeitung Daily Mail. „Auf diese Nachricht hätten sich alle britischen Journalisten gestürzt und geschrieben: Es ist richtig, daß die Queen sich in Dresden für die Bombardierung nicht entschuldigt hat, weil die Gründe für den Ausbruch des zweiten Weltkriegs in Deutschland noch immer existent sind.“ Ähnlich sieht es auch der Korrespondent der Financial Times, Leslie R. Colitt: „Auf so ein Ereignis hat die britische Boulevardpresse letzte Woche gewartet. Die Berichte in England wären sehr viel aggressiver gewesen, als sie es ohnehin schon waren.“

Weil die brisante Nachricht tagelang vertendelt und/oder verheimlicht worden ist, kommen nun die kriminalistischen Ermittlungen in Verzug. Der Polizeipräsident von Oranienburg, Peter Kirmße, dessen Behörde die Spurensicherung am Tatort kurz nach dem Anschlag übernommen hatte, warf der Staatsanwaltschaft in Potsdam im Gespräch mit der taz indirekt Verschleppung der Ermittlungen vor. „Hätte es eine Presseerklärung gegeben, wären vermutlich weit mehr Hinweise eingegangen, als wir jetzt haben“, sagte Kirmße. Nach dem Anschlag auf die Gedenkstätte Sachsenhausen vor drei Wochen seien sehr viele Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, „weil wir die Sache schnell publik gemacht haben.“ Kirmße sagte weiter, daß seine Behörde bereits am frühen Mittwoch morgen das Innenministerium und die Staatsanwaltschaft über den Anschlag informiert hätte. Auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans Dieter Bamler, hatte der taz am Freitag versichert, man sei bei den Ermittlungen auf die Mitarbeit der Bevölkerung in Ravensbrück und Umgebung angewiesen.

Ministerpräsident Stolpe war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen. Daß der erste Mann im Staate Brandenburg sofort nach Verübung von dem Anschlag gewußt haben muß, liegt auf der Hand: „Bei Staatsbesuchen wie der von der Queen gilt Sicherheitsstufe eins. Alles, was irgendwie nach Terrorismus aussieht, wird sofort nach ganz oben durchgestellt!“, so ein Regierungs-Insider.

Bei dem Anschlag, der in der Nacht zum vergangenen Mittwoch von mindestens zwei Tätern verübt worden war, entstand nur ein geringer Sachschaden – ein Wachmann hatte den Brandsatz, der in das Krematorium geschleudert wurde, sofort löschen können. Claus Christian Malzahn Kommentar Seite 10

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