Kindheit ist kein schöner Traum

■ Heute Podiumsdiskussion: Hamburgs Kinder- und Jugendtheater auf dem Prüfstand

auf dem Prüfstand

Die Lage der Kinder in Deutschland verschlechtert sich ebenso schnell, wie sich die soziale Schere zwischen arm und reich öffnet. Die Nachkommen spielen eine unterprivilegierte Rolle, und ähnlich geht es denen, die sich mit den Wirklichkeiten der Kinder professionell auf dem Theater beschäftigen. Über einhundert Kindertheatermacherinnen und -macher nehmen bis zum 31. Oktober an der Spurensuche, dem ersten bundesweiten Arbeitstreffen der Kinder- und Jugendtheater, auf Kampnagel teil. Sechs Gruppen stellen ihre Produktionen vor, Werkstätten vertiefen Kenntnisse in Dramaturgie, Theatermusik und Bühnenbild.

Es ist kein Zufall, daß die deutsche Sektion der ASSITEJ (Association Internationale du Theatre pour lÉnfance et la Jeunesse, die Vereinigung der Kinder- und Jugendtheater) ihr Treffen in Hamburg veranstaltet. In der „Stadt der Weihnachtsmärchen“ - so Jugendtheaterchef Jürgen Zielinski, der um das Überleben seiner Bühne noch bangen muß - haben die großen Theater, wenngleich sie das eine oder andere theatralische Angebot an die Jugend machen, keine offizielle „vierte Sparte“ wie sie in anderen Staats- und Stadttheatern gang und gäbe ist. Das Altonaer Theater für Kinder, das 1992 705000 Mark Unterstützung bekam, ist als einziges offizielles Kindertheater damit überfordert, den Bedarf einer Stadt wie Hamburg zu decken. Drei freie Gruppen, die in und um Hamburg Dramen für die Kurzen produzieren, bekamen von der Kulturbehörde in diesem Jahr 71000 Mark. Zusammen mit den Zuschüssen für Aufführungen in Schulen und KiTas (1992: 75000 Mark) macht das eine Summe von 1683000 Mark.

“Wo immer zwei oder mehr freie Theater zusammenkommen, wird über Geld geredet“, bemerkte Ralph Förg von der ASSITEJ am Sonntag in seinem Referat über das Kindertheater, mit dem er Knut Nevermann, Staatsrat der Kulturbehörde, Kampnagel-Chef Hans Man in't Veld und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Kampnagel begrüßte. Über die Förderung von Kindertheater zu diskutieren, diene vor allem auch den Kulturpolitikern. Die Aufgabe der Kindertheatermacher sei es dabei, durch Aufklärung in Sachen Kunst den Politikern zu helfen, damit attraktives Kindertheater sinnvoll gefördert und geplant werden kann, so Förg. Ein Kindertheater, das nicht „lustig, lustig“ sein muß, um überleben zu können, das Kinder in ihren vielfältigen Wirklichkeiten ernstnimmt, und das nicht als Projektionsfläche vom Leben enttäuschter Erwachsener für Mythen wie „Kindheit ist ein schöner Traum“ mißbraucht wird. Theaterreferent Lutz Kilcher von der Kulturbehörde fehlt heute abend - wegen Etatberatungen. Julia Kossmann

Podiumsdiskussion zur Situation des Kinder- und Jugendtheaters in Hamburg, Kampnagel Foyer 2, 20 Uhr