"Fährten suchen" im Leib der Mutter

■ Neue Abteilung für vorgeburtliche Medizin im AK Barmbek / Lebensrettung und Entscheidungshilfe für Abtreibung

im AK Barmbek / Lebensrettung und Entscheidungshilfe für Abtreibung

Für die Untersuchung und Behandlung des ungeborenen Kindes im Mutterleib hat das Krankenhaus Barmbek eine neue Abteilung eingerichtet. In der Frauenklinik des AK Barmbek wird perinatale Diagnostik und Therapie, so die Fachbezeichnung für diesen Zweig der Medizin, schon seit Jahren betrieben. Frauen mit Risikoschwangerschaften kommen aus ganz Norddeutschland nach Barmbek, wo im vergangenen Jahr knapp 10000 Ultraschalluntersuchungen gemacht wurden. Um diesem „Run“ auf das Krankenhaus Rechnung zu tragen, wird die Abteilung unter Leitung von Chefarzt Bernhard Joachim Hackelöer jetzt selbständig — als die erste ihrer Art in Deutschland. Zehn Betten stehen zur Verfügung, vier Ärzte und zwei Hebammen können Ultraschalluntersuchungen und auch Behandlungen im Mutterleib vornehmen. Die Krankenkassen steuern jährlich 600000 Mark bei.

Mit Hilfe das Ultraschalls will Hackelöer vor allem „Fährten suchen“. Als seine Hauptaufgabe sieht er, Fehlbildungen im Mutterleib möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und durch Eingriffe und Therapiekonzepte soweit wie möglich zu korrigieren. In vielen Fällen könnten noch im Mutterleib die Weichen für ein gesundes Leben von Mutter und Kind gestellt werden. Durch frühzeitige Behandlung könnten Behinderungen zum Teil vermieden oder gemildert werden. Medikamentöse Therapie oder Blutaustausch vor der Geburt seien oft lebensrettend, berichtet der Mediziner. Sollte sich durch die Diagnose eine nicht zu therapierende Krankheit oder Behinderung herausstellen, könnte dies eine Entscheidungshilfe für einen möglichen Schwangerschaftsabbbruch bis zur 24. Woche sein.

Ein erhöhtes Risiko, ein fehlgebildetes Kind zur Welt zu bringen, tragen nach der kürzlich von der Gesundheitsbehörde veröffentlichten „Hamburger Fehlbildungsstudie“ Frauen im Alter von über 35 Jahren aus sozial benachteiligten Schichten — möglicherweise, weil sie die Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft häufig vernachlässigen.

Zusätzlich zur neuen Perinatal- Abteilung soll an die Barmbeker Frauenklinik, mit mehr als 2000 Geburten jährlich eine der größten in Norddeutschland, eine Klinik zur Behandlung von Neugeborenen angegliedert werden. Bis 1995 sind hierfür 25 Intensivbetten geplant, so daß die Entbindung und Behandlung gefährdeter Säuglinge ohne Zeitverluste und risikoreiche Transporte „Wand an Wand“ betrieben werden kann.

Damit hofft Gesundheitssenator Ortwin Runde, die Säuglingssterblichkeit, die in den vergangenen 20 Jahren in Hamburg auf fast ein Drittel zurückgegangen ist, weiter zu reduzieren. Starben im Jahr 1970 in Hamburg 16 von 1000 Kindern im ersten Lebensjahr, waren es 1990 noch sechs. Die Hälfte dieser Kinder stirbt bereits in der ersten Lebenswoche. Ein großes Risiko für die gesundheitlich geschwächte Neugeborene ist der Transport vom Kreißsaal in die Kinderklinik. Vera Stadie