: „Diener und Ernährer von Fremdlingen“
■ Klaus-Peter Müller, Vizepräsident der Handwerkskammer, analysiert in seinem Fachblatt die Lage der Nation/ Der kluge Kopf sitzt bald im SFB-Rundfunkrat
Berlin. Bildungsarbeit auf ganz besondere Art betreibt Klaus-Peter Müller, Obermeister der Elektro-Innung Berlin. In der Oktoberausgabe der Verbandszeitschrift Der Elektro-Fachmann fühlt er sich bemüßigt, seinen „verehrten Kollegen“ die Lage der Nation zu erklären.
Und wie es nun leider einmal ist, wenn Mittelständler schwätzen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, kommt nichts als Deutschtümelei heraus.
Die Suada des Elektrikers beginnt mit dem kryptischen Satz, daß das auslaufende Jahr leider von Entwicklungen gekennzeichnet sei, deren „Ursprünge weit zurückreichen“ und die von denen, die das „Heute“ heftig kritisieren, mit zu verantworten seien.
Erst wer den nächsten Satz des Herrn Müller liest, ahnt, was er den Elektrikern wirklich sagen wollte. Nämlich, daß die Demokraten, die sich gegen eine Abschaffung des Asylparagraphen wenden, an den „Ursprüngen“ schuld seien. Und mit „Ursprüngen“ — und das ist der erste Skandal, meint er die „sogenannten ,Übergriffe‘ von deutschen Bürgern auf die Unterkünfte von nichtdeutschen Mitmenschen“. Im Klartext: Die Asylbewerberheime in Deutschland brennen, weil es Menschen gibt, die dies furchtbar finden.
Deutlich wird dieser Gedankengang im nächsten Absatz der Grußbotschaft. Hier redet er der Öffentlichkeit ins Gewissen. „Zu leicht“, schreibt er, „machen es sich die Kommentatoren, wenn sie diese Vorgänge einer ,braunen Vergangenheit‘ anlasten. Es sollte den Damen und Herren ,multikulturellen Politikern‘ auch endlich einmal klar werden, daß ein Staatsbürger in seinem eigenen europäischen Land nicht plötzlich Diener bzw. Ernährer von Fremdlingen sein will. Sie sollten nicht vergessen, daß sie einen Amtseid geleistet haben, indem sie sich verpflichten, zum (und der folgende Satzteil ist im Original fett gedruckt:) Wohl und Nutzen des deutschen Volkes zu wirken.“ Will Herr Müller seinen Lesern im Jahre 1992 damit sagen, daß Asylbewerber nutzlose Fresser und Volksschädlinge sind?
Nun wäre die Aufklärung dieser Frage unerheblich, wenn Herr Müller nur Geschäftsführer einer Elektrofirma wäre. Das ist dieser Mann aber nicht nur. Klaus-Peter Müller ist Vizepräsident des Zentralverbandes des Elektrohandwerks und — hier hören die Analysen des Herrn Müller auf, nur Standespolitik zu sein — Vertreter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er ist einer der beiden Vizepräsidenten der Handwerkskammer Berlin.
Von Januar 1993 an darf der Vizepräsident mit seinen Thesen Einfluß auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nehmen. Die Handwerkskammer delegiert ihn dann in den Rundfunkrat des SFB. Anita Kugler
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