Gezeter nach dem Klassiker

Nach dem Abschluß der World Series im Baseball, die von den Toronto Blue Jays gewonnen wurde, beginnt das Gerangel hinter den Kulissen  ■ Von Andreas Lampert

Frankfurt (taz) – „The fall classic“, Herbstklassiker, nennen die Baseballfans in Amerika ihre World Series. Das herbstliche Schauspiel ist der Abschluß einer langen Saison, in der von April bis Oktober täglich gespielt wird. Auf dem satten Grün des Rasens mit Handschuh, Ball und Schläger warten die „boys of summer“ mit stets neu entstehenden Dramen auf, um die Nation zu unterhalten.

Auch in diesem Jahr gab es Novitäten. Im 122.Jahr seit Gründung einer professionellen Liga wurde erstmalig auf internationalen Bühnen gespielt. Mit den Toronto Blue Jays gewann ebenfalls zum ersten Mal eine kanadische Mannschaft die World Series in einer würdigen und spannenden Auseinandersetzung mit den Atlanta Braves. Für Kanada ein mehr als historisches Ereignis. Für Amerika auf den zweiten Blick keine allzu schmerzliche Niederlage, denn die Mannschaft der Blue Jays rekrutiert sich in erster Linie aus amerikanischen Spielern und hat keinen einzigen Kanadier dabei.

Doch während die Spieler ihre Handschuhe, Schläger und Uniformen in den Spinden ihrer Clubs verstauen und in der Winterpause ihre schmerzenden Muskeln und Knochen kurieren, ziehen dunkle Wolken über den Stadien auf. Die Männer aus dem Hintergrund betreten unterdessen die Bühnen, zücken die Taschenrechner und drohen, wie viele Fans glauben, sich an der Unschuld des „nationalen Zeitvertreibs“ zu vergehen. Es geht wie immer um den allmächtigen Dollar.

Die Besitzer der 28 Major League-Clubs haben Alarm geschlagen und fordern eine Neuordnung des Systems. Die Eskalation der Spielergehälter hat zu einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von knapp über einer Million Dollar pro Spieler geführt und die Besitzer an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten gebracht. Während die Kosten laufend steigen, versiegen zunehmend die Einnahmequellen: Der Fernsehvertrag, der 1993 noch 401 Millionen Dollar bringt, muß erneuert werden und wird mit Sicherheit nicht so viel abwerfen wie erhofft. Bei 18 Clubs waren die Zuschauerzahlen in den Stadien rückläufig, und auch die Resonanz vor den Bildschirmen nimmt ab. Letzte Umfragen haben ergeben, daß Amerikaner zweimal lieber Football im Fernsehen verfolgen als Baseball.

Neben den wirtschaftlichen Problemen sorgen auch eine Menge arbeitsrechtlicher Fragen für reichlich Unruhe. 170 Spieler erhalten dieses Jahr den Status des free agents, das heißt, das Recht zur freien Arbeitsplatzwahl, welches sie gerne in bare Münze umwandeln möchten. Hier wird es zu neuerlichen Konfrontationen zwischen Besitzern, Agenten und Spielergewerkschaften kommen, wenn am 11.Dezember die neuen Arbeitsverträge ausgehandelt werden sollen.

Dieses Mal wollen die Clubeigner sich nicht so leicht unterbuttern lassen, wie es in ihren Augen vor drei Jahren geschah, als die Spieler zu Beginn der Saison mit Streik drohten, weil die Besitzer sich weigerten, das Minimumgehalt eines Major League-Spielers (109.000 Dollar im ersten Jahr) und den neuen free agent-Status zu akzeptieren. Für zusätzliche Unruhe sorgen das Schicksal der San Francisco Giants, die nach Tampa (Florida) verkauft werden sollen und die Draftrunde der zwei neuen „National Teams“, Colorado Rockies und Florida Marlins, die am 17.November aus jeder Mannschaft jeweils zwei bis drei ungeschützte Spieler auswählen dürfen. Viele Besitzer werden diesen Umstand nutzen, um ihre überteuerten Veteranen loszuwerden.

Ihre Ausgangsposition haben die Besitzer dieses Jahr gestärkt, indem sie sich kürzlich des „Baseball Commissioners“ (Präsidenten) Fay Vincent entledigten, als dieser im Laufe der Saison einige unpopuläre Entscheidungen im Alleingang traf und sich so den Unmut aller Beteiligten zuzog. Vincent wendete vor drei Jahren den drohenden Streik ab, indem er die Verhandlungen zugunsten der Spieler führte.

Notfalls wollen es die Cracks zur Katastrophe kommen lassen und 1993 den Spielbetrieb einstellen. Sie fordern ein festgesetztes Mannschaftskapital, aus dem die einzelnen Spieler bezahlt werden sollen, wie es in der NBA, der finanziell gesunden Basketball-Liga, praktiziert wird. Spieler und Agenten geben sich noch gelassen, denn sie kennen dieses Hahnengeschrei nur zu gut. „Vor den Verhandlungen ist es jedesmal dasselbe“, meint Dick Moss, der Blue Jay-Pitcher David Cone vertritt. „Das Baseballgeschäft wirft immer noch genug ab, und viele Besitzer machen eine Menge Schotter. Was soll das Gezeter?“