■ Das Portrait
: Leonid Kutschma

Gewöhnlich halten sich Männer vom Schlage Leonid Kutschmas im Hintergrund. Im Schatten läßt sich besser wirken, mehr Einfluß auf die Regierung nehmen, ohne ins Schußfeld der Öffentlichkeit zu geraten. Kutschma wagte jetzt jedoch den Schritt ins Unberechenbare, an die Spitze der ukrainischen Regierung. Kaum einer kannte den 52jährigen, als das ukrainische Parlament ihn vor zwei Wochen mit einer überwältigenden Mehrheit von 316 zu 23 Gegenstimmen auf den Posten des Premierministers hievte. In zwei Jahren Parlamentsarbeit war der karge Redner nicht aufgefallen. Doch dieser Eindruck führt in die Irre.

Kutschma war einer der mächtigsten Männer der Ukraine. Denn er leitete die riesige Rüstungsfabrik Juschmasch im ostukrainischen Dnjepropetrowsk, lange Zeit Terra prohibita für alle Ausländer. Als größte Raketenschmiede der Welt produzierte sie die fortgeschrittenste Technik der ehemaligen Sowjetunion. Juschmasch war nicht nur Rüstungsgigant, sondern in den siebziger und achtziger Jahren auch Zitadelle der Parteinomenklatura. Ihr Chef war zwangsläufig auch der Patriarch des militärisch-industriellen Komplexes.

Kutschma wird nachgesagt, die Interessen der Fabrik geschickt vertreten zu haben. Er gilt als geübter Technokrat. Deshalb entschied sich die Lobby der Industriedirektoren im Kiewer Parlament

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für ihn. Mit einem draufgängerischen „Marktwirtschaftler“ aus der Opposition hätte sie keine Gemeinsamkeiten gefunden. Einer der abgehalfterten kommunistischen Apparatschiks jedoch, mit denen sich Präsident Krawtschuk bevorzugt umgibt, hätte die Instabilität der ukrainischen Exekutive nur noch verlängert.

Kutschma wurde so zu einem Kompromißkandidaten. In seiner Antrittsrede empfahl er sich als Mann der kleinen, besonnenen Schritte. Seine Aufgabe dürfte in erster Linie sein, die Interessen seiner potenten Klientel zu wahren. Das heißt, den Kreditfluß aus der Notenpresse der Zentralbank am Laufen zu halten und eine Art „Direktorenmarktwirtschaft“ zu installieren, in der der Staat als entscheidendes Regulativ wirkt.

Das entscheidende Accessoire eines echten Kapitalisten besitzt Kutschma schon: ein eigenes Flugzeug. Die Wahl seines Kabinetts wird zeigen, ob er das Zeug zu mehr als einem Lobbyisten besitzt. Klaus-Helge Donath