Alarmzustand nach Anschlag im Südlibanon

■ Sechs israelische Soldaten bei Angriffen getötet und vier schwer verletzt

Tel Aviv (taz) – Bei zwei Anschlägen sind am Sonntag in israelisch besetzten Gebieten sechs israelische Soldaten getötet worden. Weitere sechs wurden verwundet, vier von ihnen schwebten gestern noch in Lebensgefahr. Einer der Soldaten wurde in der Stadt Hebron in der Westbank erschossen, die anderen fünf kamen bei einem Bombenanschlag auf einen israelischen Militärkonvoi im Südlibanon ums Leben, im Osten der sogenannten „Sicherheitszone“. Für den Anschlag übernahm der „Islamische Widerstand“ der libanesischen Hisbollah die Verantwortung, der Angriff in Hebron wurde nach Meinung der Behörden von der islamistischen Palästinenser- Organisation „Hamas“ verübt.

In Jerusalem kam es anschließend zu militanten Demonstrationen von israelischen Siedlern aus dem Golan und der Westbank gegen die Haltung der Rabin-Regierung in den Nahost-Friedensgesprächen. Rechtsextreme Oppositionskreise in Israel machen die Verhandlungen für die zunehmende Zahl von Todesopfern verantwortlich. Vor der Residenz von Ministerpräsident Rabin und am Eingang zum King David Hotel, wo ein Festessen zu Ehren des portugiesischen Ministerpräsidenten Silva stattfand, stießen mehrere hundert Demonstranten mit israelischen Truppen und Polizeiverbänden zusammen. Rabin und Silva mußten durch den Hinterausgang in Sicherheit gebracht werden. „Rabin verschwinde: Das Volk steht nicht hinter dir!“ lautete die Parole der Demonstranten.

Die rechten Oppositionsparteien fordern die sofortige Einstellung der Nahost-Gespräche in Washington. Sie verlangen die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung Hebrons und die Deportation ganzer „Terroristenfamilien“ nach Jordanien. Rabin dürfe nicht gleichzeitig Ministerpräsident und Verteidigungsminister bleiben.

Die Knesset, die Montag nachmittag zum erstenmal nach den Parlamentsferien zusammentrat, wird nach einer politischen Erklärung des Ministerpräsidenten vor allem zu den häufiger werdenden Angriffen auf die Soldaten in den von Israel besetzten Gebieten Stellung nehmen. Im Zentrum der Debatte wird der Zusammenhang mit den Washingtoner Nahost-Verhandlungen stehen.

Die Rabin-Regierung vertritt die Position, daß sich die Feinde des Friedensprozesses unter den arabischen und israelischen Extremisten gegenseitig in die Hände spielen, um die Verhandlungen zu torpedieren. Der blutige Terror arabischer Extremisten sei ohne Vorbehalt zu bekämpfen, doch unabhängig davon sollten die Verhandlungen fortgesetzt werden. Gleichzeitig herrscht in Regierungskreisen die Meinung vor, daß Israel in den Verhandlungen mit der syrischen Delegation in Washington ein scharfes Vorgehen der Regierung in Damaskus gegen Hisbollah fordern muß, damit Angriffe auf die israelische Armee im besetzten Südlibanon unterbleiben. Nach Ansicht von Polizeiminister Mosche Schachal (Arbeitspartei) gibt es in der Westbank und im Gaza-Streifen hingegen nur noch vereinzelt palästinensische „Terroristengruppen“, denen die israelische Armee und Polizei bereits auf der Spur sei. Andererseits sind Sicherheitsexperten der Armee der Meinung, daß damit zu rechnen ist, daß die Welle der Anschläge weiter anschwellen wird, weil der Friedensprozeß sabotiert werden soll. Die Armee hat bekanntgegeben, daß ihre Truppen in den besetzten Gebieten weiter verstärkt worden sind – jetzt vor allem mit dem Ziel, die Hamas-Bewegung unschädlich zu machen. Amos Wollin