Die Faschos ins Kröpfchen

■ Bspw. „Böhse Onkelz“: Der Punk hat längst seine Unschuld verloren / Eine Umfrage in Bremer Plattenläden

„Heilige Lieder“, das neue Album der bisher relativ unbekannten „Böhsen Onkelz“, ist jetzt unter die zehn meistverkauften Tonträger der Republik geraten. Bereits Anfang der 80er sorgten explizit rassistische und sexistische Texte dafür, daß die Band unter rechten Jugendlichen einen Kultstatus inne hatte. In Titeln wie „Türken raus“ oder „Türkenvotze kahlrasiert“ verbanden sie Fremdenfeindlichkeit und sexuelle Ausbeutung zu einem bis dahin in Deutschland unbekannten Musik-Gemisch. „Der nette Mann“, eine ihrer ersten Platten wurde von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdend indiziert. Seit 1988 aber versucht die Band mit geglättetem Image das große Geld zu verdienen. Ihre Musik zielt jetzt vornehmlich auf die kauffreudige Metal- und Deutschpunk- Jugend ab. Und ihre Texte, betreffend Staatsverdrossenheit, persönliche Frustation und ähnliches, lassen keine neo-faschistischen Tendenzen mehr erkennen.

In Bremer Plattenläden will ihnen jedoch niemand so recht die Wende abnehmen. Ein Zug durch die Fachgeschäfte und Plattenabteilungen zeigt, daß der Onkelz-Fan mitunter ganz schön laufen muß. Die rechte Vergangenheit der Band hat viele Händler zum Boykott der Platte bewogen. Die Filialen von JPC, Karstadt und Horten haben die Platte erst gar nicht ins Programm genommen, und bei Brinkmann boykottiert der Zentralvertrieb die „Heiligen Lieder“ sogar bundesweit.

Und der Besitzer von EAR in Vegesack sagt: „Ich weiß, daß die ersten LPs voller rassistischer Äußerungen waren, und ich verkaufe ihre Scheiße auch nicht, wenn sie jetzt was anderes machen. Die können mir erzählen, daß sie eine Gehirnwäsche gemacht haben, aber das glaube ich

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denen nicht.“

„Haben wir nicht im Programm und wollen wir auch nicht“, erklärt ein Mitarbeiter der Barlage-Filiale in Bremen- Nord und liefert mit „Faschoband“ auch gleich die Begründung. Auch die Angestellten bei Barlage in der Innenstadt haben sich entschlossen, die Platte nicht zu führen. „Die Onkelz können eine Platte mit Weihnachtsliedern anschleppen, und wir würden sie nicht nehmen.“

Daß den Händlern eine gute Gelegenheit entgeht, Kasse zu machen, ist ihnen klar. Der Abteilungsleiter von Saturn Hansa, einem der wenigen Läden, wo man die Platte kriegt, ist sich der Vergangenheit der Gruppe bewußt, hat aber weniger Skrupel: „Sonst hatten wir die Gruppe auch nicht, aber jetzt ist sie in den Charts. Wir haben uns die Platte angesehen und fanden sie in Ordnung.“ Man müsse das neue Album von der alten Band trennen. 20 bis 50 Platten bringt man täglich unter die Leute, „aber nur, solange die in den Charts sind. Danach fliegt die hier auch raus.“ Für das Interesse, das die neue Platte für älteres, rassistisches Material wecken könnte, fühlt er sich nicht verantwortlich.

Auch bei der Kaufhalle stehen die „Heiligen Lieder“ im winzigen Sortiment. Die zentrale Vertriebsstruktur von Handelsketten, bei denen die Tonträger-Abteilung nur eine von vielen ist, bedingt, daß jeder Titel aus den Top 100 automatisch einmal bestellt wird, und alles was in den Top 20 rumkrebst, mehrmals. Und irgendwie ist es gekommen, daß die Kaufhalle in

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der City auch das alte Onkelz- Album „Live in Vienna“ führt — zwischen King Elvis, Roy Black und der Hitparade der Volksmusik.

Gefragt wird nach den „Heiligen Liedern“ in allen Läden den ganzen Tag lang. Selbst bei Überschall, dem renommierten Fachgeschäft für Krachfanatiker, ist die Platte heiß begehrt. „Über die Jahre hat's immer wieder mal Anfragen gegeben“, meint Inhaber Bulti, „aber jetzt häuft sich das natürlich besonders.

Der Bremer Boykott, der von kleinen Spezialgeschäft zum Warenhaus geht, ist allerdings eher die Ausnahme im ganzen Bundesgebiet. „Die PLatte kriegst du überall. Einige kleine Läden boykottieren die Onkelz natürlich auch, aber prinzipiell gibt's den Mist an jeder Ecke“, meint ein zufällig anwesender Vertreter. „Bei einigen großen Geschäften sind auch schon Scheiben zu Bruch gegangen, weil sie ihre Schaufenster damit dekoriert haben.“

Auffällig ist, daß sich das Interesse lediglich auf die „Böhsen Onkelz“ bezieht. Andere rechte Gruppen wie „Störkraft“, „Endstufe“ oder „Kahlkopf“ bleiben ein Teil der rechtsradikalen Subkultur. Fabsi, Chef des Bremer Weserlabels, meint : „Da rufen Leute bei uns an und wollen die Platte zusammen mit den TOTEN HOSEN oder anderen Punk-Bands bestellen. Die Kids können's ja auch nicht besser wissen, weil sie viel zu jung sind, um die Vergangenheit der Band überhaupt zu kennen.“

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Vor allem männliche Jugendliche suchen in Bremen nach dem Album, so auch ein junger Mann bei Saturn Hansa: „Von Sachen wie 'Türken Raus' halte ich auch nichts. Aber die aktuellen Lieder sind ja nicht mehr politisch.“ Dennoch war ihm mulmig, sagt er, als er sich ein Live-Video der Band ansah. „Da waren schon sehr viele Glatzen.“ Ob sich die ONKELZ selber so unpolitisch sehen, wie die Jagd nach harten Märkern sie erscheinen läßt bleibt zweifelhaft. In den Linernotes der neuen Platte läßt man zumindest wissen: „Wenn ihr versucht, zwischen den Zeilen zu lesen, werdet ihr eine Menge mehr über uns erfahren“. Und: „Was gesagt werden mußte, wurde gesagt.“ Stefan Ernsting