Zwischen Peace Now&Platoon

■ „In der Schußlinie“, Erstes Programm, 20.15 Uhr

Schon die ersten vier Minuten dieses israelischen Spielfilms von Eran Riklis geben einen Schnellkurs in Sachen Lebensgefühl im Bürgerkrieg. Sergeant Cohen, ein sephardischer Schlemihl, hat sich Karten für die Fußball-WM 1982 in Spanien besorgt, als die Armee ihn zur Teilnahme am Libanon- Feldzug einzieht. Die Karten in der Hand, zieht er fluchend zwischen den Jeeps hin und her, als plötzlich die Hölle losbricht – ein Guerillatrupp der Palästinenser greift an. Sie nehmen Cohen als Geisel, um sich besser nach Beirut durchschlagen zu können.

Gemeinsam durchstreifen sie eine infernalische Szenerie. Überall schwelen Brände, die Seen dampfen giftig im Licht der Suchscheinwerfer, der Wüstenwind heult, Schüsse knallen aus dem undurchsichtigen Gewirr der Schlingpflanzen. Die Armee pflügt sich mit rasender Geschwindigkeit durch das Land. Die Soldaten schlafen mal in Ruinen, mal in arabischen Luxusvillen. Das Terrain ist nicht von dieser Welt, weil die liebevolle Männerbündlerei, die sich hier zwischen Palästinensern und Israelis anbahnt, eben auch nicht Wirklichkeit ist.

Die Zusammensetzung des Guerilla-Trupps ist typisch für den romantisierenden Umgang des linken israelischen Kinos mit dem Bild des Arabers: Ziad, der Anführer, ist ein schöner blauäugiger Blonder (im Gegensatz zum dunklen Cohen); ihm zur Seite ein Arzt, der wie Gramsci aussieht; dann ein Schalk, ein gemütlicher Dicker, und schließlich ein düsterer, rachelüsterner Zombie.

Den Rest der Zeit nähern sich die Jungs rauh, aber herzlich einander an. Daß beide Seiten zur italienischen WM-Mannschaft halten, bringt sie einander ebenso nah wie die Tatsache, daß sie voreinander ihre Notdurft verrichten und des Nachts zärtlich den Duft ihrer Socken einatmen. Zu diesen prägenitalen Vergnügungen paßt, daß in keinem Kino der Welt genüßlich so viel Blut, Schweiß und Scheiße gezeigt werden wie im israelischen und daß Frauen fast nur als Stilleben vorkommen.

Aber sei's drum. Ein bißchen schwankend zwischen Peace-Now- Ideologie und Platoon-Ästhetik sind hier einige der besten Schauspieler der Levante zu einem Kriegsfilm versammelt. Der Umschlag von Krieg zu Spiel und wieder zurück ist dabei sehr intelligent inszeniert. So dringt die Truppe beispielsweise einmal in eine leere Bar ein. Beherzt gehen sie ans Billardspiel, nennen noch lachend jede Kugel nach einer israelischen Stadt. „Diese hier ist Nablus, die rote ist Tel Aviv, die schwarze ist – Jerusalem.“ Das Lachen erstirbt. „Nein“, sagt der Zombie mit dem Pali-Tuch, „die schwarze, Cohen, das ist dein Leben.“ Mariam Niroumand