■ Cash & Crash
: Heiteres Prognoseraten

Hochkonjunktur haben derzeit vor allem Prognosen und Umfragen über die weitere konjunkturelle Entwicklung. Und da die Zeichen allseits nach unten deuten, sind die Börsianer in diesen Tagen für das Aufzeigen auch kleiner Hoffnungsschimmer dankbar.

Kaum haben die 18 honorigen Konjunkturbremser von der Deutschen Bundesbank die Möglichkeit fallender Zinsen auch nur vage angedeutet, schon klettern die Kurse. Der Deutsche Aktienindex, das Frankfurter Börsenbarometer aus den 30 wichtigsten Papieren, legte im Verlauf der vergangenen Woche um 4,46 Prozent auf 1526,82 Punkte zu und notierte gestern mit 1542,49 Punkten. Selbst die weiterhin schlechten Gewinnaussichten vieler Industriefirmen und das Herbstgutachten der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute konnten den chronischen Optimismus der Händler diesmal nicht stoppen. Sogar die in der Woche zuvor arg lädierten Autotitel verbuchten ein deutliches Plus: Die Daimler-Aktie gewann über 15 Mark hinzu, und selbst Volkswagen, wo in diesem Geschäftsjahr rote Zahlen drohen, konnte noch zwei Mark gutmachen.

Daß die Börse die Zukunft besonders akkurat vorwegnimmt, ist einer der Mythen der „perfekten Märkte“. Der deutsche Aktienmarkt hat mit seinem ihm eigenen Antizipationsmechanismus jedenfalls noch nicht erfaßt, was an bösen Nachrichten noch alles droht. Die Kennziffern der Unternehmen fallen zusehends schlechter aus. Nicht wenige Analytiker halten daher einen tiefen Fall der Kurse für wahrscheinlich, wenn der eisige Novemberwind übers Börsenparkett fegt.

Auch der Wall Street droht Ungemach. Zwar konnte der Dow-Jones-Index für 30 Industrieaktien wieder mit einer leichten Wochenbeute von 33,23 Punkten abschließen. Doch der derzeitige Stand von 3244,11 Punkten trügt: Wo mehr ausgeschüttet als verdient wird, geht es an die Substanz. Die Wall Street lebte in den letzten Monaten fast ausschließlich von den mehrfachen Zinssenkungen der US-Notenbank. Verliert die US-Administration den Kampf gegen die Rezession, werden sich die auf den mehrfach angekündigten Aufschwung hoffenden Anleger vom Markt zurückziehen. Die meisten US-Unternehmen tragen mit ihren schmalen Gewinnen den hohen Kursen in keinster Weise Rechnung. Und auf einen baldigen Konjunkturanstieg weist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten rein gar nichts hin. Egal ob George Bush oder Bill Clinton die Präsidentschaftswahl gewinnt – „Clunker America“ ist daran, die Zeche für das Gelage der letzten Jahre zu bezahlen. Ein Ergebnis wird in jedem Fall eine Baisse sein.

Apropos Erfahrung mit früheren US-Wahlen: Stiegen die Wall-Street-Kurse per saldo vor dem Urnengang, konnten sich 14 der 15 amtierenden Präsidenten halten. 13mal wurden in den Wahljahren hingegen fallende Kurse verzeichnet – nur Franklin D. Roosevelt überlebte politisch die Baisse. Erwin Single