Kanada vor der Spaltung?

■ Sonderstatus für Quebec abgelehnt

Washington (taz) – Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Bürger Kanadas am Montag gegen einen Verfassungskompromiß ausgesprochen, der der frankophonen Provinz Quebec einen Sonderstatus und den Indianern Kanadas das Recht auf Selbstverwaltung einräumen sollte. In sieben von zehn kanadischen Provinzen, darunter Quebec, stimmte die Mehrheit mit Nein.

Eine Teilung des Landes steht zwar nicht unmittelbar bevor, doch das Scheitern des Referendums macht deutlich, daß Kanada zu einem Kompromiß über den Status von Quebec nicht mehr fähig ist. Dort wurde das Abstimmungsergebnis von den Befürwortern einer Abspaltung euphorisch begrüßt. „Wir wollen uns nie mehr an irgendeinen Verhandlungstisch setzen“, erklärte der Vorsitzende der „Bloc Québécois Party“, Lucien Bouchard, „solange Quebec nicht als Nation angesehen wird.“ Der Kompromiß hatte der Provinz den verfassungsmäßigen Status einer „eigenständigen Gesellschaft“ versprochen – ein Angebot, das in Quebec als zu gering, in den anglophonen Provinzen im Westen jedoch als viel zu groß angesehen wurde.

In allen Parteien und Fraktionen herrscht jetzt Ratlosigkeit, wie es weitergehen soll. Einig ist man sich nur in einem: Das Nein der Kanadier ist eine Ohrfeige ins Gesicht der politischen Elite, die den Verfassungskompromiß Ende August ausgehandelt hatte. Premierminister Mulroney hatte sein politisches Schicksal in den letzten Wochen oft mit der Annahme des Verfassungskompromisses verknüpft. Andrea Böhm Seite 8