Bestellt — besucht — beäugt

■ Merkwürdige Praktiken eines Hamburger Versandhauses

Überraschung: Keine Post, leibhaftigen Besuch vom Otto- Versand erhielt kürzlich eine Bremer Neukundin des Hamburger Versandhauses. Die Frau mit dem ungewöhnlich klingenden Namen Misa Obrsal-Ihssen hatte für ihre Tochter Kinderkleidung im Wert von knapp hundert Mark bestellt. Staatsbürgerschaft: Deutsche, das hatte die mit einem Deutschen Verheiratete auf dem Bestellzettel angekreuzt. Das schien eine Dame vom Bremer Kundendienst nicht zu überzeugen. Begleitet von einem schweigsamen jungen Assistenten machte sie der Neukundin ihre Aufwartung.

Die Kundenbetreuerin wollte „stichprobenartig“ überprüfen, ob es sich hier nicht um betrügerische Asylanten handele, teilte sie der Neukundin mit. Misa Obrsal-Ihssen ist sich „sicher, daß sie aufgrund meines Namens kam“. In ihrer Wortwahl sei die Besucherin nicht eben zimperlich gewesen, unter anderem habe sie das Wort „Negerin“ benutzt. Aufgrund ihrer Men

Für Otto: Schräge Kunden Foto: Katja Heddinga

schenkenntnis, teilte die Besucherin der verdutzten Neukundin mit, und aufgrund der Wohnung, die sie in Augenschein

Türken

nahm, wolle sie beurteilen, ob die Bestellerin überhaupt zahlungskräftig sei. Der Augenschein und das Wohnumfeld Schwachhausen, scheint es, überzeugten: Die Dame vom Kundendienst übertrug die Bestellung auf einen anderen Zettel

und setzte ihre Unterschrift darunter. Misal Obrsal-Ihssen war „ziemlich sauer“, doch bestellen wollte sie trotzdem: „Die Bestellung zurückzuziehen, das hätte ich als Niederlage empfunden.“

„Ein komplexer Fall“, urteilt Detlev von Levonius, der Presse- Sprecher des Hamburger Versandhauses. Wenn die Dame vom Kundendienst das so gesagt habe, sei das „eine unglückliche Formulierung“. Aber „wir sind ja alle nur Menschen“, schickt der Pressesprecher hinterher. Grundsätzlich besuchten die KundendienstmitarbeiterInnen nur die KundInnen, deren Bestellung „unvollständig oder nicht leserlich“ sei oder einen bestimmten Betrag (800 Mark) übersteige. „Wir differenzieren nicht zwischen Deutschen und Ausländern“, versichert der Pressesprecher.

Der einzige kleine Unterschied: AusländerInnen, die nicht seit drei Jahren in Deutschland wohnen, werde nahegelegt, per Nachnahme zu bestellen. „Jede Bestellung geht ja auf Kredit. Und wir werden von verschiedenen sozialen Initiativen angehalten, den Leuten nicht leichtfertig Kredite zu geben“, erläutert der Pressesprecher. Auch Deutsche ohne festen Wohnsitz schützt das Versandhaus so vor Verschwendungstrieb. Ob die BestellerInnen einen festen Wohnsitz seit drei Jahren nachweisen können, das wird bei Deutschen nicht überprüft. Diemut Roether