Saugrüssel gegen Krebsrisiko

■ Tankwarte haben zehnfaches Krebsrisiko/ Landesamt für Arbeitsschutz: Gasrückführungsverfahren sofort einführen

Berlin. Berlins Tankwarte leben gefährlich. Tag für Tag atmen sie beim Abfüllen Benzol ein. Ihr Risiko, dadurch an Krebs zu erkranken, liegt um das Zehnfache über dem eines Durchschnittsbürgers. Das geht aus der Antwort der Sozialverwaltung auf eine Anfrage des Abgeordneten Bernd Köppl von den Bündnis 90/ Grüne hervor. Je nach Standortbedingungen kann dieses Risiko in Einzelfällen bis auf das Dreißigfache ansteigen. Aufgrund dieser Gefährdung hat das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit (LAfA) bereits vor zwei Jahren die Beschäftigung schwangerer Frauen an den Zapfsäulen unterbunden. Wegen der „erheblichen Gefährdung“ für die Beschäftigten hat das LAfA bereits vor längerem den Einbau von Saugrüsseln angeordnet. Es begründete diesen Schritt mit den entsprechenden Bestimmungen der Arbeitsschutzverordnung, der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten und des Chemikaliengesetzes. In zwanzig Fällen sind die Tankstellenbetreiber dagegen vor das Verwaltungsgericht gegangen. Die Entscheidungen stehen noch aus. Beim LAfA geht man nun davon aus, daß die Konzerne vierzig bis fünfzig Tankstellen sofort umrüsten.

Auf eine Verbesserung ihrer Situation können die an den Tankstellen Beschäftigten ab 1. Januar 1993 hoffen. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Tankstellenneubauten mit dem sogenannten Gasrückführungssystem ausgestattet werden. Es werden jedoch insgesamt schätzungsweise achtzig bis hundert Betriebe verbleiben, die nicht unter die Töpfer-Verordnung fallen, weil sie zu klein sind. In diesen Fällen will das LAfA prüfen, ob auch dort die Einführung des Saugrüssels angeordnet werden muß. Über einen Saugrüssel am Einfüllstutzen werden die freiwerdenden Dämpfe aufgefangen. Dadurch wird die Schadstoffbelastung auf ein Viertel dezimiert. Dieses Verfahren wird in den USA bereits seit Jahren mit Erfolg angewandt, in Deutschland haben die Mineralölkonzerne jedoch erfolgreich hinhaltenden Widerstand geleistet. So sind bislang in Berlin von dreihundertsechzig Tankstellen nur etwa fünfzehn mit dem Gasrückführungssystem ausgestattet, weil es den Konzernen zu teuer ist.

Köppl sieht das Versäumnis beim Bundesgesetzgeber, der viel zu spät und dann zu lasch agiert habe. Umweltminister Töpfer (CDU) hätte bereits bei den zahlreichen Neubauten von Tankstellen in den neuen Bundesländern das Saugrüsselverfahren zur Auflage machen müssen. Die Kosten des Gasrückführungssystems werden pro Zapfhahn auf zehntausend Mark geschätzt, eine vollständige Umrüstung der Tankstellen würde den Benzinpreis um etwa einen Pfennig pro Liter erhöhen. dr