Konservativer Reformer sprengt den Konsens

■ Die erste Runde hat Ichiro Ozawa (50) verloren, aber seine junge Garde kommt

Seinen ersten Kampf um die Macht hat Ichiro Ozawa verloren, gestern wählten die Parlamentsabgeordneten der LDP nicht ihn oder seinen Ersatzmann Tsutomu Hata, sondern den gesichtslosen Gegenkandidaten Keizo Obuchi zum neuen Fraktionschef. Das Ergebnis ist jedoch keineswegs endgültig: Obuchi ist ein Verlegenheitsgriff, ihm traut man die Führung der Partei nicht zu. Und genau darin liegt die Stärke Ichiro Ozawas.

Ihm ist in diesen Tagen bereits gelungen, was kein japanischer Oppositionspolitiker jemals vermochte: Der 50 Jahre junge Ozawa hat die eigene Partei so gründlich gespalten, daß keiner mehr weiß, wer genau das Heft in der Hand hält. Seit dem Wochenende sprechen die japanischen Medien von den „Pro-Ozawa-Mitgliedern“ der Partei und den „Anti-Ozawa-Mitgliedern“.

Dabei geht der Bruch quer durch alle bisher bekannten Fraktionen der LDP. Premierminister Kiichi Miyazawa ließ sich ertappen, als er eine Abgeordnetenliste seiner Partei studierte, die ihm zu erkennen gab, wer für und wer gegen Ozawa ist. Das zeigt, welch untergeordnete Rolle der Regierungschef im Streit um die Parteiführung spielte.

Was also verspricht dieser neue Mann, der das konsensgewohnte Japan vor die Alternative „für oder gegen mich“ stellt? Kein Zweifel, Ozawa will Japan verändern. Er hat eine Studiengruppe in der Partei gegründet, die vor kurzem eine Neuinterpretation der japanischen Friedensverfassung vorgelegt hat. Die Verfasser, darunter Ozawa, behaupten, daß Kampfeinsätze japanischer Soldaten im Ausland auch ohne Verfassungsänderung möglich seien. Politische Kommentatoren sehen deshalb in Ozawa einen Nationalisten, der die japanische Außenpolitik dem Diktat Washingtons entziehen will.

Innenpolitisch steht Ozawa für weitreichende Reformen im Wahlsystem. Er unterstützt die Einführung von Wahlkreisen, in denen pro Partei nur noch ein Kandidat antritt. Damit will er der Fraktionszerstückelung innerhalb der LDP ein Ende machen. Bisher garantieren Wahlkreise mit bis zu fünf Mandaten den gleichzeitigen Einzug von LDP-Kandidaten unterschiedlicher Fraktionen ins Parlament. Eine straffe Führung der Partei wird dadurch erschwert.

Es sind vor allem diese ins Innere der Partei zielenden Reformen, die Ichiro Ozawa unter den älteren Liberaldemokraten viele Feinde verschafft haben. „Ozawa hat die erste Runde verloren“, meinte gestern in Tokio ein Fernseh-Kommentator, „doch die jüngere Generation wird unter seiner Führung die Partei schon bald übernehmen.“