Eine Klinik, in der sehr viel passiert ...

■ Vorwürfe gegen Hamburger Frauenarzt: "Grobe Behandlungsfehler" / Der Gynäkologe hat jedoch ein reines Gewissen

/ Der Gynäkologe hat jedoch ein reines Gewissen

„Wir sind der Meinung, daß dieser Arzt unbedingt aus dem Verkehr zu ziehen ist, damit er nicht noch mehr Frauen versaut.“ Mit dieser Beschwerde über den Chefarzt der Frauenklinik Johnsallee wendete sich Werner H. im Oktober 1990 an die Hamburger Ärztekammer. Gestern stand er deswegen vor dem Amtsgericht: Dr.F. hatte ihn wegen Beleidigung angezeigt. 1000 Mark Geldbuße muß Werner H. jetzt dafür bezahlen, daß dieses Verfahren eingestellt wird. Für einen Beschwerdebrief mit tragischer Vorgeschichte.

Hs. Partnerin Angelika A. mußte 1990 in einer lebensgefährlichen Notoperation die Gebärmutter entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Nach Ansicht Hs., weil Dr.F. die schwerwiegenden Symptome ihrer Krankheit nicht frühzeitig erkannt hat, und das, obwohl sie jahrelang bei ihm in Behandlung gewesen war.

Der Partner ist nicht der einzige, der in den letzten Jahren Zweifel an den Fertigkeiten des leitenden Arztes angemeldet hat. Auch Hs. Rechtsanwalt Wolfram Seischab bemerkte gestern vor Gericht: „Dr.F. ist ein Arzt, der in der Kritik steht.“ Er kenne ihn aus seiner Anwaltspraxis, weil in der Klinik „sehr vieles passiert“.

Von „Behandlungsfehlern und eklatanten Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht“ spricht auch die Hamburger Patienteninitiative. Allein ihr seien drei Verfahren bekannt, in denen der Chefarzt der Belegklinik Schmerzensgeld oder Schadensersatz zahlen mußte, eines sei noch in der Schwebe. Aus diesem Grund forderte die Initiative die Gesundheitsbehörde und die Ärztekammer schon im August auf, umgehend tätig zu werden.

„Ein Jahr lang hatte ich ihm von Schmerzen berichtet, ohne daß er mich richtig untersucht hat“, erinnerte sich gestern Angelika A. Erst als ein Internist eine Schwellung im Bauch festgestellt habe, hätte Dr.F. eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Sie müsse operiert werden - warum, sei ihr jedoch nicht gesagt worden. Daher habe sie sich im Marienkrankenhaus zur OP angemeldet. Dort entdeckten die Ärzte eine völlig vereiterte Bauchhöhle und eine großes Geschwür am Darm. Dr.F. dazu auf taz-Anfrage: „Ich habe ihr zur OP geraten, kann aber doch nichts dafür, wenn sie nicht wiederkommt.“

Um Erklärungen scheint der Chefarzt nicht verlegen. Unumwunden gibt er zu, daß einige Verfahren gegen ihn geführt wurden. „In jedem Krankenhaus passiert so etwas, auch unsere Klinik ist nicht frei davon“, so räumt er ein. Aber von einer Häufung könne bei ihm keine Rede sei. „Ich genieße fachlich einen guten Ruf.“

Auch ein Urteil des Hamburger Landgerichts, das dem Arzt im Fall einer Kaiserschnittgeburt (das Kind leidet an einem hirnorganischen Schaden) einen „groben Behandlungsfehler“ attestiert, mag er nicht gelten lassen, obwohl es inzwischen sogar vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde.

Die Gutachter hatten hier ausgeführt, daß der Kaiserschnitt zu spät vorgenommen wurde und außerdem zahlreiche ärztliche Unterlassungen vorlagen. Eine Klinik, so ihr Fazit, in der nicht ständig ein Facharzt und/oder eine Hebamme anwesend ist, sei generell nicht zur Überwachung von Risikogeburten geeignet. „Bei uns ist immer ein Facharzt da“, erklärt F., räumt aber dann ein, daß sich der diensthabende Arzt damals in seiner benachbarten Wohnung befunden habe. „Der ist schneller am Platz als ein Arzt in einer Riesenklinik wie dem UKE.“ Außerdem sei der Behandlungsfehler nicht in ihrem Hause geschehen, „wir haben das Kind gesund an die Kinderklinik abgegeben.“ Die Gutachter kamen damals zu einem anderen Urteil.

„In den wenigsten Verfahren wurden uns Kunstfehler nachgewiesen“, betont F. Auch den weiteren Verfahren, die nach seiner Kenntnis noch anstünden, sehe er gelassen entgegen. „Ich habe ärztlich ein reines Gewissen.“ Sannah Koch