Maulkorberlaß für schwule Polizisten

■ Polizeiführung verbietet öffentliche Äußerungen/ Schwulengruppen zeigen sich tief enttäuscht/ Heftige Kritik von SPD, FDP und Grünen am Polizeipräsidenten

Berlin. Das von beiden Seiten angestrebte Vetrauensverhältnis zwischen Schwulen und Polizei hat einen schweren Rückschlag erlitten. Auf Anordnung der neuen Polizeiführung wurden dem offen schwulen Polizeibeamten Burkhard Gieseler weitere öffentliche Äußerungen und Auftritte ausdrücklich untersagt. Die von Polizeipräsident Saberschinsky autorisierte Entscheidung sei für alle homosexuellen Beamten verbindlich, erklärte Polizeipressesprecher Schulz auf Anfrage der taz. Saufen und Homosexualität sei eine Privatangelegenheit der Betroffenen. Im übrigen habe man einen offiziellen Ansprechpartner für Homosexuelle, den (heterosexuellen) Kommissar Heinz Uth. Der jedoch hält den Beschluß für »völlig kontraproduktiv«: »Ohne die Mitarbeit meiner homosexuellen Kollegen kann ich in der Schwulenszene nicht glaubwürdig auftreten.«

Mit Besorgnis reagierte auch der schwule Info-Laden Mann-O- Meter. Angesichts der zunehmenden Bedrohung von Minderheiten müsse die Öffnung der Polizei gegenüber Homosexuellen unbedingt fortgesetzt werden, heißt es in einem Brief an Saberschinsky.

Burkhard Gieseler und seine offen schwulen Kollegen hatten noch kürzlich an Diskussionsveranstaltungen teilgenommen und zahlreiche Interviews gegeben. Die SFB- Jugendwelle Radio 4U dagegen bekam von der Polizeipressestelle anderes zu hören: die Zeiten des Schlendrians unter Georg Schertz seien endgültig vorbei, die Polizei habe solche Interviews nicht nötig. Auch an einer MDR-Talk-Show durfte Gieseler nicht teilnehmen.

Formal gesehen beruft sich die Polizeiführung auf beamtenrechtliche Bestimmungen, wonach das Ansehen der Behörde nicht geschädigt werden dürfe. Sollte sich Gieseler der Anordnung widersetzen, so droht ihm die Versetzung in den Streifendienst.

Manfred Such, Gründungsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, hält den Maulkorberlaß dennoch für rechtswidrig: »Die Situation von Schwulen innerhalb der Polizei ist doch kein Dienstgeheimnis.«

Scharfe Kritik kam auch von SPD, FDP und Bündnis 90/ Grüne. Sollte Saberschinsky den Maulkorb erlassen haben, dann sei dies »wahrlich kein guter Einstand als neuer Polizeipräsident«, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans Georg Lorenz. Gefragt sei jetzt ein offenes Bekenntnis der Polizeiführung zu ihren offen homosexuellen Kollegen.

Deutlicher wurde die FDP-Landesvorsitzende Carola von Braun: »Wir haben Herrn Saberschinsky aus gutem Grund nicht gewählt. Er ist offenbar ein Herr, der sehr schnell zur Einschränkung demokratischer Bürgerrechte greift.« Saberschinsky solle die Beamten für ihren Mut und ihre Zivilcourage loben und auszeichnen, anstatt ihnen den Mund zu verbieten. Marc Kersten