FDP-Chefin: Rassismus beim Parteinachwuchs

■ Bei den Jungen Liberalen tobt der Kampf um die Führung Polizeieinsatz bei Landeskongreß/ Landesvorstand entsetzt

Berlin. Nach dem Bundesparteitag der FDP Anfang Oktober wog sich die Landesvorsitzende Carola von Braun noch in Sicherheit. Die Neigung zu rechtspopulistischen Tendenzen, so verortete sie die Stimmungslage in ihrer Partei, beschränke sich auf die Landesverbände „südlich der Weißwurstlinie“. Dort seien auch freidemokratische Ohren offen für den eloquenten Rechtskurs eines Jörg Haider. Mittlerweile führt von Braun die innerparteiliche Auseinandersetzung mit dem rechten Gegner bereits auf Berliner Terrain. „Rechtspopulismus“ und „Rassismus“ macht sie beim eigenen Jugendverband aus.

Die Jungen Liberalen sorgten bei der eher linksliberalen Berliner Mutterpartei schon seit längerem für Unmut. Seit bei den Politjunioren eine rechte Kamarilla das Heft in der Hand hat, kann man im Verbandsblättchen Die Zukunft nicht nur ein Grußwort des FPÖ- Chefs Haider lesen, sondern auch erfahren, daß die Schauspielerin Vera Tschechowa furchtbar stolz darauf sei, „daß sie so kein bißchen germanisch, pfui Spinne, sondern so richtig slawisch aussieht!“.

Daneben nimmt sich das Eintreten der Julis für den „Freistaat Preußen“ und die entsprechenden Traditionen wie eine harmlose Marotte aus. Den Kampf gegen den „Mißbrauch des Sozialwesens“ haben sie sich ebenso auf die Fahne geschrieben wie die umfassende Änderung des Asylrechts.

Der Juli-Landesvorsitzende Gernot Biehler ist sich bewußt, daß seine Truppe mit diesen Positionen eine Außenseiterrolle im jungliberalen Spektrum Deutschlands spielt. Für ihn ist national-liberal kein Schimpfwort. Er gibt noch nicht einmal den rechten Ton an, wenn die Julis von sich reden machen. Den Parteilinken sind vor allem eine Handvoll Aktive um den Juli-Vize Thorsten Witt ein Dorn im Auge. Dessen politische Vergangenheit reicht bis zu gemeinsamen Schüler-Unions-Zeiten mit dem ehemaligen Rep-Vorsitzenden Carsten Pagel zurück.

Bislang konnte der Juli-Vorstand alle Versuche, ihn zu kippen, erfolgreich abwehren. Beim Landeskongreß am letzten Freitag traten dann überraschend knapp 40 Linksliberale bei. Nach Zahlung des Mitgliedsbeitrages waren sie sofort stimmberechtigt. Thorsten Witt konnte sich nur mit einer Stimme Mehrheit zum Versammlungsleiter wählen lassen. Ein Umstand, der mehrere Delegierte veranlaßte, erneute Zählung zu verlangen.

Was dann passierte, hat Biehler und von Braun gleichermaßen entsetzt. Die Mitgliedskarten verschwanden samt 600 Mark gerade gesammelter Beiträge. Der anschließende Tumult veranlaßte Biehler, die Sitzung abzubrechen. Die Tagungsleitung hat dann, so seine Erinnerung, die Polizei gerufen, die in Kampfuniform für ein Ende der Versammlung sorgte.

Das Entsetzen von Brauns teilte der gesamte FDP-Landesvorstand, als er am Mittwoch zusammenkam. Er fordert nun von den Julis eine eindeutige Distanzierung von den Vorgängen. Falls sich dergleichen nochmals wiederholen sollte, werde der Vorstand dem Landesparteitag empfehlen, den Julis den Status als Jugendorganisation abzuerkennen. Zu solch drastischen Mitteln wird die Partei wohl nicht greifen müssen. Wie Biehlert gestern gegenüber der taz erklärte, werden sich die Julis „eindeutig distanzieren“. Man sei am Freitag der Situation nicht gewachsen gewesen. In der kommenden Woche werde ein erweiterter Juli- Landesvorstand das weitere Vorgehen beraten. Für Biehlert ist bereits das Ende der national-liberalen Ära der Julis in Sicht. Er rechnet damit, daß die Linken ans Ruder kommen und plädiert für vorgezogene Vorstandsneuwahlen. Zu dieser Einsicht hat wohl auch das Schiedsgericht der Bundes-Julis beigetragen, das über die Rechtmäßigkeit der Wahl des Biehlert- Vorstandes im September 1991 zu entscheiden hat. In zwei Wochen wird der Richterspruch verkündet. Biehlert rechnet mit einem Ergebnis, „daß zu Neuwahlen führt“. Dieter Rulff