■ Mit dem Hilfsgeld auf du und du
: Eine Zusage ist noch kein Scheck

Berlin (taz) – Je weiter ein Land von Rußlands Hauptstadt Moskau entfernt ist, desto weniger Finanzhilfe schickt es in die UdSSR-Nachfolgerepubliken. Dementsprechend halten sich von den reichen Industrieländern die USA und Japan mit Überweisungen am meisten zurück: Die USA, weil sie selbst in jedem Jahr ein neues Rekorddefizit bei den Staatsfinanzen zu verbuchen haben und außerdem das alte Feindbild keineswegs so weit abgebaut ist, daß sich politisch mehr als nur Carepakete verkaufen ließen. Japan hingegen will für etwaige Hilfszahlungen zunächst die Südkurilen-Inseln von Rußland zurückhaben. Die vier Inseln im Norden Japans hatte die Sowjetunion 1945 besetzt.

Allerdings: Viel Geld ist es ohnehin nicht, was die GUS- Ländern heutzutage erwarten können. Fest zugesagt wurden in Tokio lediglich Nahrungsmittelhilfen. Japan will 100 statt der bisher versprochenen 50 Millionen Dollar für „humanitäre Hilfe“ aufbringen, die USA stellen die gleiche Summe zur Verfügung. Dabei hatten sie zunächst für Lebensmittel und Medikamente 274 Millionen Dollar angeboten, sowie weitere 158 Millionen Dollar für das Gemeinschaftsprogramm der Industriestaaten „Technische Hilfe GUS“ (Tacis: Technical assistance for the Commonwealth of Independent States).

Auch die EG will Tacis mit Millionenbeträgen weiterführen: 500 Millionen Ecu (knapp 1 Mrd. DM) – so ein Vorschlag, aber noch kein Versprechen der Kommission – sollen im nächsten Jahr (nach 400 Mio. Ecu im vergangenen und 450 in diesem Jahr) ausgegeben werden.

Neben diesen Programmen existiert auf dem Papier noch das 24-Milliarden-Dollar- Hilfspaket, das der Internationale Währungsfonds (IWF) im April für Rußland geschnürt hatte. Von dem wurde bislang aber nur eine Milliarde ausgezahlt – auch wenn Rußland als IWF-Mitglied auf Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden Mark Anspruch erheben könnte. 2,5 Milliarden waren im Zusammenhang mit Rußlands Schuldendienst von den Gläubigerstaaten bereits diesen Sommer verrechnet worden. Weitere sechs Milliarden werden ohnehin nicht ausgezahlt, weil sie für einen Rubel-Stabilisierungsfonds vorgesehen sind, für den Rußland eine Reihe von nahezu unverwirklichbaren Bedingungen erfüllen müßte. Das verbleibende Elf-Milliarden-Pack entpuppt sich von nahem als genau die Summe, die bereits Michail Gorbatschow 1990 und 1991 als Kreditlinie eingeräumt, bislang aber nicht ausgezahlt wurde.

Dreh- und Angelpunkt westlicher GUS-Hilfe wird also künftig neben der Weltbank- Hilfe vor allem Tacis sein, das 1991 und 1992 einen Gesamtumfang von 1,7 Milliarden Mark hatte. Das Programm, finanziert von den 24 Industriestaaten und koordiniert von der EG-Kommission, fördert in der GUS die Managementausbildung sowie Aufbau und Reform der Sektoren Finanzdienstleistungen, Nahrungsmittelwirtschaft, Verkehr und Energiewirtschaft.

Im Energiebereich wandelt sich Tacis immer mehr zum Nachrüstungsprogramm für Atomkraftwerke. Von den 1,7 Milliarden DM wurden 115 Millionen im Bereich nukleare Sicherheit ausgegeben. Und nach dem Münchner Weltwirtschaftsgipfel, auf dem sich die G-7-Regierungschefs nicht auf ein AKW-Sicherheitsprogramm einigen konnten, sucht die EG-Kommission nun fieberhaft nach Möglichkeiten, innerhalb des Tacis-Rahmens Geld für die AKW-Sicherheit umzuschichten, das für andere Zwecke gedacht war. Allein der 1992er Tacis-Nuklear-Etat könnte so auf 95 Millionen Ecu (190 Mio. DM) aufgestockt werden. Donata Riedel