Wallraff, die Soundsovielte

■ Bild wirft Günter Wallraff erneut IM-Tätigkeit vor/ Als Beleg wird die geheime Anklageschrift des Generalbundesanwalts von Stahl gegen Markus Wolf zitiert

Berlin (taz) – Der Intimfeind der Bild-Zeitung, Günter Wallraff, soll nach Angaben eben dieses Blattes Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi gewesen sein. Kein geringerer als der Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, liefert dem Blatt die Indizien. Die Zeitung zitiert, man höre und staune, aus der geheimen Anklageschrift, die der oberste Ankläger gegen den Spionagechef der Ex-DDR, Markus (Mischa) Wolf, verfaßt hat.

Unter dem Decknamen „Walküre“ soll sich Wallraff seit 1966 oder 1967 mit der Stasi entweder auf der Buchmesse in Leipzig oder aber in einem geheimen Objekt in Ostberlin getroffen haben. Ziel war es, „aktuelle Informationen aus dem Bereich der SPD, über den Zustand der 'linken Szene‘ in der Bundesrepublik, sowie über Mitarbeiter, redaktionelle Arbeit und Umfeld der Zeitschrift Konkret zu beschaffen.“

Als Gegenleistung für seine vermeintlichen Aktivitäten durfte Wallraff, so von Stahl, in den geheimen Stasi-Archiven NS-Akten lesen. Dies allerdings ist nicht wirklich spektakulär. Nicht nur Wallraff durfte hier recherchieren. „Aus solchen Archiven haben sich viele bedient, der Spiegel genauso wie der Stern oder Panorama“, sagte Wallraff in einem Interview gegenüber der taz im Februar dieses Jahres.

Bereits damals waren gegen den bekanntesten deutschen Enthüllungsjournalisten die gleichen Vorwürfe gemacht worden. Im Duett sangen Bild und Super von der Stasi-Mitarbeit Wallraffs, komponiert nach einer eidesstattlichen Versicherung eines „hohen HVA- Offiziers“, dessen Name allerdings nicht preisgegeben wurde: „Wallraff war einer unserer wichtigsten Einfluß-Agenten zur Destabilisierung der Bundesrepublik“, hatte der Anonymus damals gesagt. Im Sommer dieses Jahres triumphierte Wallraff in einem gegen Super wegen der Verleumdungen angestrengten Prozeß. Vor dem Berliner Landgericht sagte der Stasi-Gewährsmann von Super, Günter Bohnsack, am 8.9.1992, daß ihm der Name Walküre zwar bekannt sei, „die Aktion war aber nicht personengebunden und hatte mit Sicherheit nichts mit dem Kläger (Wallraff) zu tun“.

Unterstellt, die Bundesanwaltschaft recherchiert sorgfältiger als die Boulevardblätter, dann ist vor allem ein Vorwurf gegen Wallraff einigermaßen brisant. Die Stasi „habe Grenzschleusen arrangiert“, die den „nachrichtlichen Charakter der Verbindung unzweideutig erkennen ließen“, heißt es in der Anklageschrift.

Der gestrige Versuch der taz, bei der Bundesanwaltschaft Näheres über die Vorwürfe zu erfahren, ging fehl. Der Pressesprecher Hofmann war nicht gewillt, weil nicht befugt, irgendwelche Informationen in Sachen Wallraff zu bestätigen oder zu dementieren. Einzig der Satz: „Wir führen gegen Wallraff keine Anklage“, ging über seine Lippen. Julia Albrecht