Rassistische Äußerungen

■ betr.: "Peruaner auf der Straße erstochen", taz vom 20.10.92

betr.: „Peruaner auf der Straße erstochen“, taz vom 20.10.92

In der oben angeführten Veröffentlichung nehmen Sie kommentarlos die Behauptung zur Kenntnis beziehungsweise verbreiten Sie kommentarlos, nach der 90 Prozent aller hier lebenden Chilenen und Peruaner der Polizei bekannt seien und es „in Berlin kaum Peruaner oder Chilenen, die nicht in Straftaten involviert sind“, gebe. Diese Behauptung ist eindeutig rassistischer Natur. Die Weiterverbreitung solcher Behauptung kommt der Verbreitung von Rassismus nahe.

[...] Die uns bekannten Chileninnen und Chilenen sowie Peruanerinnen und Peruaner sind Personen, die sich in der Regel sehr engagiert für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Ländern einsetzen und die, im Falle der chilenischen Menschen, vor Jahren vor einer grausamen Militärdiktatur geflohen sind. Ton Veerkamp,

Studentenpfarrer für

ausländische Studierende

An den Polizeipräsidenten in

Berlin, Dezernat Präsidiale

Angelegenheiten

Sehr geehrte Damen und Herren, in der Ausgabe vom 20.10. der tageszeitung, Berlin-Teil, S.18, wird in dem Artikel „Peruaner auf der Straße erstochen“ der Leiter des Kripo-Sonderkommissariats für Organisierte Kriminalität von hier lebenden Südamerikanern, Hubert Gollin, mit folgenden Äußerungen zitiert: „Es gibt in Berlin kaum Peruaner und Chilenen, die nicht in Straftaten involviert sind.“ „90 Prozent der hier lebenden Peruaner und Chilenen sind der Kripo zumindest bekannt.“

Ich fordere Sie auf, den betreffenden Beamten zunächst erklären zu lassen, ob er diese – eindeutig rassistischen und einen Berliner Bevölkerungsteil diskriminierenden und beleidigenden – Äußerungen wie zitiert getan hat. Wenn dies der Fall ist, erhebe ich hiermit Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den genannten Beamten. Eine Strafanzeige behalte ich mir vor.

Es ist unglaublich, wie ein Beamter dieser Stadt ohne Kenntnis der Tatsache, daß hier seit vielen Jahren Chilenen und Peruaner friedlich leben, arbeiten, studieren, ihre Kinder zur Schule schicken und Berliner/innen heiraten, sich zu einer solchen beleidigenden Äußerung versteigen kann. Ich möchte unterstellen, daß dem Beamten nicht einmal bekannt ist, wie viele Chilenen und Peruaner überhaupt in Berlin leben, geschweige denn, ob die von ihm „behandelten“ Fälle überhaupt Einwohner dieser Stadt sind. [...] Petra Schlagenhauf,

Rechtsanwältin

[...] Die Behauptung des Kripochefs H.Gollin, sollte sie tatsächlich so gefallen sein, grenzt an Volksverhetzung. [...] Ich bin seit über zwölf Jahren mit einer Chilenin verheiratet und kenne Hunderte von Chilenen und auch Peruanern, die hier in Berlin zum Teil schon 20 Jahre und länger untadelig leben und arbeiten und mit absoluter Sicherheit in keine Straftaten verwickelt sind.

Während der Deutsche Entwicklungsdienst (DED), bei dem ich arbeite, in Chile soeben ein Büro eröffnet, um durch entwicklungspolitische Maßnahmen den Demokratisierungsprozeß in diesem Land zu stärken und einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten, erklärt laut taz der Berliner Kripochef verallgemeinernd nahezu alle Chilenen und Peruaner durch seine rassistischen Äußerungen zu Kriminellen und tendenziell zu Freiwild. Und das auf dem Hintergrund der hierzulande ohnehin wachsenden Ausländerfeindlichkeit. Sollte die taz- Reporterin den Kripochef richtig wiedergegeben haben – und das scheint so, da es kein Dementi gegeben hat –, so müßten sich eigentlich seine Vorgesetzten überlegen, ob dieser Mitarbeiter weiterhin tragbar ist. Durch solche Äußerungen jedenfalls wird jede gutgemeinte Anstrengung des Senats gegen die Ausländerfeindlichkeit konterkariert. [...] Dr.Werner Würtele, Berlin 22

Bei den StudentInnen des Lateinamerika-Instituts der FU Berlin habt Ihr durch Eure Berichterstattung Wut und große Enttäuschung provoziert. Als „kritische“ Zeitung könnt Ihr es Euch unserer Meinung nach nicht leisten, die Aussprüche von Gollin, so wie getan, im Raum stehen zu lassen. Es ist kritikwürdig, wenn ein Beamter behauptet, es gäbe in Berlin kaum PeruanerInnen und ChilenInnen, die nicht in Straftaten verwickelt wären, es ist kritikwürdig, wenn alle mit uns lebenden SüdamerikanerInnen (und AusländerInnen) in Kategorien wie „gut“ und „böse“ eingeteilt werden, es ist kritikwürdig, wenn der Beamte mit der Vertreibung von SüdamerikanerInnen in andere Städte prahlen kann.

Es gilt zu fragen, wie ein offensichtlich ausländerfeindlicher Beamter an die Spitze einer Sonderkommission gesetzt werden kann, die sich mit der Aufklärung von Straftaten von AusländerInnen zu befassen hat. Wir erwarten weitere Berichterstattung. [...] Fachschaftsinitiative des LAIs

Nur schade, daß der Artikel nicht besser recherchiert war. Vom Büro der Ausländerbeauftragten erhielt ich die Auskunft, daß 1.123 Peruaner und Chilenen in Berlin leben, wie hoch der Anteil der in Straftaten involvierten Menschen dieser Nationalität ist, konnte mir nicht gesagt werden. Es liegen bei der Ausländerbeauftragten keine gesonderten Statistiken hierüber vor. Der nächste Schritt war ein Anruf bei Herrn Gollin mit der Frage, ob er wirklich behaupten will, daß von den 1.123 Chilenen und Peruanern 1.010 in Straftaten involviert sind? Natürlich nicht, lautete die Antwort. Wie konnte es dann zu dem Zitat in Eurem Artikel kommen? Nun, ganz einfach, da Herr Gollin bei der Kripo arbeitet, hat er zwangsläufig mit Straftaten zu tun, und von den dort in irgendeiner Form aufgetretenen Chilenen und Peruanern sind 90 Prozent in Straftaten involviert oder in konkreten Zahlen: Es wurden bisher in diesem Jahr zirka 130 Menschen dieser Nationalitäten vorgeführt. Die verbleibenden zehn Prozent treten als Zeugen und Opfer von Straftaten in Erscheinung. Über den Anteil an Straftaten in bezug auf die Gesamtzahl der hier lebenden Menschen dieser beiden Nationalitäten konnte Herr Gollin keine Auskunft geben. Ich hätte mir gewünscht, daß von Euch, gerade bei solchen vielleicht mißverständlichen Äußerungen, genauer nachgefragt wird. [...] terre des hommes BRD e.V.

Elisa Heinrich, Vorstand