Aus Angst vor Fremdenhaß abgesagt

■ Tagung über Jugendaustausch im neuen Europa/ Reisen taugen nicht immer zum Abbau von Vorurteilen

Glienicke. Als Dagmara Brzezowska aus Wroclaw nach Berlin kam, konnte sie zuerst nicht begreifen, warum sie überhaupt eingeladen war. „Seit 1987, als ich zum ersten Mal hier war, hat das Interesse am Austausch mit Osteuropa gewaltig abgenommen.“ Zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland beeinflußt auch die Arbeit der internationalen Jugendorganisationen – das wurde während der „Internationalen Partnerbörse“ im Schloß Glienicke deutlich.

Nach Angaben des Studienkreises für Tourismus tragen Jugendreisen keineswegs automatisch zur besseren Völkerverständigung bei. Ganz im Gegenteil, die bestehenden Vorurteile gegenüber Ausländern würden oft nur bestätigt. Aus dem Fenster des Reisebusses gesehen, seien alle Polen Faulpelze. Das Interesse deutscher Reisender konzentriert sich momentan vornehmlich auf „klassische“ Urlaubsländer wie Südfrankreich, Griechenland oder Spanien. Dieses einseitige Interesse entspreche den rassistischen Vorstellungen von „schlechten“ und „guten“ Ausländern.

Diese Tendenz festigt umgekehrt das Bild von den „schlechten Deutschen“ im Ausland. Es kam schon vor, daß eine spanische Jugendorganisation darauf verzichtete, eine Ostberliner Gruppe zu empfangen, die sich offen als rechts deklarierte. Für die spanischen Sozialpädagogen war es auch ein Zeichen offener Hilflosigkeit und ein professionelles Fiasko. Denn im Gegensatz zum Kulturtourismus ist das Zusammenleben junger Leute an einem Ort der mögliche Weg zur besseren Völkerverständigung. Die Bemühungen der Pädagogen und Sozialarbeiter, Osteuropa miteinzubeziehen, stößt zudem im wahrsten Sinne des Wortes auf Grenzen. Etablierte Institutionen wie „Jugend für Europa“ oder das „deutsch-französische Jugendwerk“ sehen Europa hauptsächlich in den Grenzen der Europäischen Gemeinschaft. Sie konzentrieren sich sozusagen auf die „guten“ Ausländer. Die Austauschprogramme mit den osteuropäischen Nachbarn werden immer weniger gefördert, derzeit bekommen sie weniger als fünf Prozent aller Mittel.

Thomas Krüger, SPD-Senator für Jugend und Familie, machte sich für ein „multilinguales Europa“ stark, das sich bis zum Ural definieren müsse. Dabei gewinne Berlin eine sehr wichtige Rolle, nicht als „Nabel Europas“, eher als ein Ort des Ideenaustauschs. Boris Schumatsky