Ost-Anwälte wollen keine Stasi-Überprüfung

■ „Verein demokratischer Juristen“: Anwaltszulassung war unabhängig von Stasi-Mitarbeit/ Die Justizverwaltung will 250 Anwälte aus der Ex-DDR überprüfen

Berlin. Staats- und Rechtsanwälte aus dem Ostteil Berlins und den neuen Bundesländern mobilisieren gegen eine massenweise Überprüfung ihrer Zulassungen als Anwälte. Ob Juristen zu Zeiten der DDR gegen die Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen haben, müsse individuell geprüft werden, sagte der Hamburger Rechtsanwalt Klaus Dammann auf einer Tagung des „Vereins demokratischer Juristen“ (VdJ) vor zwei Dutzend Mitgliedern am vergangenen Wochenende. Sollte es gegen bestimmte Anwälte Verdächtigungen oder Vorwürfe geben, müßte in einem ordentlichen Gerichtsverfahren geklärt werden, ob der Angeklagte gegen die erwähnten Grundsätze verstoßen habe. Nur aufgrund eines Urteils dürfe dann das zuständige Justizministerium die Zulassung entziehen. Eine inoffizielle Mitarbeit beim damaligen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dürfe nicht genügen, um einem Rechtsanwalt die Ausübung seines Berufes zu verbieten, sagte Dammann gegenüber der taz.

Die Justizministerien in Berlin und den neuen Bundesländern scheinen offenbar mit Zulassungsbeschränkungen und -rücknahmen verschieden restriktiv umzugehen. Nach Angaben des Vorsitzenden des VdJ, Grischa Worner, soll der Staatssekretär der Berliner Justizverwaltung, Detlef Borrmann (SPD), versprochen haben, daß den Anwälten nicht bereits deshalb Nachteile enstehen sollen, weil sie die Fragebögen nicht ausfüllten. Unabhängig von der Briefbefragung, nach der Anwälte über damalige Parteizugehörigkeiten, Verbindungen zum MfS und Funktionen Auskunft geben sollen, würden 250 Juristen von der Verwaltung überprüft, wußte Worner. Grundlage ist das im Juli dieses Jahres bundesweit in Kraft getretene „Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufung ehrenamtlicher Richter“. Nach dem Anwaltsüberprüfungsgesetz könne jedem seine Zulassung entzogen werden, der gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit „unter besonderer Berücksichtigung der Mitarbeit beim MfS“ verstoßen habe.

Ein Rechtsanwalt aus Sachsen berichtete, daß in seinem Bundesland einem Kollegen in der vergangenen Woche die Zulassung entzogen worden sei. Dem Kollegen sei vom Justizministerium als Grund nichts anderes als seine innoffizielle Mitarbeit bei der Stasi mitgeteilt worden. Ein Abwickler für die Betreuung der Mandaten und für die Weiterführung laufender Verfahren soll schon heute die Geschäfte des betroffenen Kollegen übernehmen. Dammann riet, beim Oberlandesgericht den Rechtsweg auszuschöpfen und die „aufschiebene Wirkung“ wiederherzustellen, so daß der Betroffene zumindest so lange seinen Beruf als Rechtsanwalt ausüben darf, bis die Vorwürfe gerichtlich geklärt sind.

Außerhalb Berlins ließen sich die Justizministerien bei der Neuzulassung von ehemaligen Rechtsanwälten und Staatsanwälten der DDR ungewöhnlich viel Zeit, berichteten Anwesende aus dem Publikum. Ein Staatsanwalt habe 18 Monate warten müssen.

Gegenüber der taz bestätigte VdJ-Chef Worner den Vorwurf der Sendung „Kontraste“. Es stimme, daß er eine Verpflichtungserklärung als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi unterschrieben habe. Dies sei 1963 als 19jähriger bei der Armee gewesen. Er habe später als Student an der Universität weiter als IM gearbeitet, 1970 sei seine Tätigkeit allerdings „eingeschlafen“, sagte der heute 48jährige.

Worner kritisierte den „Kontraste“-Beitrag. In der im Oktober ausgestrahlten Sendung mit dem Titel „Heimlich in neue Roben – Stasi-Rechtsanwälte für den Rechtsstaat“ sei der Eindruck erweckt worden, er selbst sei bei der Stasi angestellt gewesen. Dies sei aber nicht der Fall. Er habe als Soldat und Student aus idealistischen Gründen lediglich Berichte verfaßt, in denen er sich mit „Bagatellen“ beschäftigte. Dirk Wildt