Ein Jahr nach Madrid kein Durchbruch in Sicht

■ Kaum Fortkommen in Nahostrunden

Tel Aviv (taz) – Der erste Jahrestag der Madrider Konferenz, die am 30.Oktober 1991 den großartigen Auftakt zur Eröffnung der Nahostgespräche bildete, fand in der israelischen Öffentlichkeit kaum Beachtung. Ende letzter Woche, nachdem eine scharfe Eskalation im Südlibanon den Nahostkonflikt erneut an den Rand eines Krieges gebracht hatte, schwiegen sich die meisten israelischen Kommentatoren zu diesem Jahrestag aus. Niemand gab eine Antwort auf die zeitgemäße Frage nach dem bisherigen Resultat der israelisch-arabischen Verhandlungen. In Jerusalem und in Washington gab man sich am Ende der soeben unterbrochenen siebten bilateralen Nahostrunde zwar betont optimistisch. Aber derlei Erklärungen klangen gekünstelt und standen in krassem Widerspruch zu den Einschätzungen der arabischen Delegationssprecher. Wenig zuversichtlich klangen auch die offiziellen israelischen Erklärungen zum Ergebnis der Gespräche, die nach den US-Wahlen in elf Tagen fortgesetzt werden sollen.

Als einzige gute Nachricht konnte gelten, daß die blutigen Zusammenstöße in den besetzten Gebieten und die israelischen Angriffe im Libanon zwar zum Protest der arabischen Delegationen geführt hatten, nicht aber zum Abbruch der Gespräche. Auch bei den multilateralen Konferenzen ist bislang nichts Konkretes beschlossen worden. Die arabischen Delegationen gaben zu verstehen, daß alles von einem Fortkommen in den bilateralen Verhandlungen abhänge. Doch dort konnte man sich bislang bestenfalls auf Grundzüge einer Tagesordnung für zukünftige Verhandlungen einigen. Die Voraussetzungen dafür waren zwischen Israel und Jordanien erwartungsgemäß am günstigsten, wo – vom palästinensischen Problem abgesehen – die Differenzen am geringsten sind. Daß es jetzt eine Tagesordnung für weitere israelisch-jordanische Verhandlungen gibt, wurde denn auch lautstark hervorgehoben. Iraelische Politiker betonten jedoch, in absehbarer Zeit sei nicht mit einem israelisch-jordanischen Friedensabkommen zu rechnen.

Syrien und Israel konnten nach dem Amtsantritt von Ministerpräsident Rabin und mit Hilfe Washingtons einen Dialog über zukünftige Verhandlungsgrundlagen aufnehmen. Aber dabei ist es einstweilen geblieben. Und in den israelisch-libanesischen Verhandlungen in Washington ist bisher so gut wie nichts gelaufen. Auch in den Verhandlungen mit den Palästinensern wurden keine greifbaren Fortschritte erzielt.

Der Außenminister der PLO, Faruq Al Qadumi, erklärte am Wochenende, er sehe wenig Grund für eine optimistische Einschätzung der bisherigen Gespräche. Für die Palästinenser in den besetzten Gebieten habe sich wenig geändert, teilte der Generalkommissar des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge, Türkmen, mit. Noch immer seien über 12.000 Palästinenser in israelischer Haft, bei Zusammenstößen mit der israelischen Armee seien 1992 121 Menschen umgekommen. Amos Wollin