Der Panda-Sticker reicht nicht aus

Die Öko-PR boomt/ Bei den Werbeagenturen verdoppeln sich die Umsätze im Umweltmarketing/ Ökologische Produktion spart bei Kosten  ■ Von Ulla Küspert

Berlin (taz) – Umweltkommunikation ist ein neuer Markt. Immer mehr Werbeagenturen legen sich spezielle Projektgruppen oder gar eigenständige Ableger für Öko-PR zu. Und deren Arbeit trägt Früchte. So erhielten die Kölner Fordwerke einen Umweltpreis des Wirtschaftsmagazins status dafür, daß sie die Abwärme einer benachbarten Stahlhütte benutzen und dadurch in der Autoproduktion keine Primärenergie mehr einsetzen müssen. Der WWF- Deutschland und die Zeitschrift Capital wählten IBM-Deutschland-Chef Hans-Olaf Henkel und den Braunschweiger Unternehmer Herrmann Fischer zu „Öko- Managern des Jahres“.

Die Düsseldorfer ABC/Eurocom, zweitgrößte unter den deutschen PR-Agenturen und auch für Töpfers Umweltministerium tätig, hob binnen zwei Jahren von null auf 2,6 Öko-Millionen ab. Auch andere Berufs-Lautsprecher melden „Öko-Budgets verdoppelt“. Quer durch die Branchen ist „Umwelt faktisch in allen Unternehmen ein zentrales Thema geworden“, stellt man sich der „Herausforderung Ökologie“, hält oder lauscht „Plädoyers für Öko-Wahrheit“.

Schlagworte wie diese purzeln seit Wochen aus jeder dritten Spalte der Werbe- und Wirtschaftsfachpresse. Unternehmensberater Rainer Desens: „Es kann sich heute niemand mehr erlauben, die Ökologie öffentlich zu ignorieren.“ Sein Kollege Alexander Zang formuliert Gründe: „Warfen sich vor nicht allzu langer Zeit Müsli-Mystiker an den Busen der Natur, so diffundieren (durchdringen) heute Öko-Gedanken in nahezu alle Lebensbereiche und lösen bereits neue Lebensstile aus.“ Mit einem Panda-Sticker sei es längst nicht mehr getan, Ökologie müsse Teil strategischen Handelns werden.

Folgerichtig poliert Top-Manager Ulrich Steger, früher SPD- Wirtschaftsminister in Hessen, heute am Firmenimage von VW: „Gegenüber den ökologisch orientierten Kundinnen und Kunden können wir auf bedeutende Erfolge verweisen wie Verbrauchsreduzierung, zunehmende Verwendung von umweltverträglichen Werkstoffen, Recycling-Konzepte, Materialkreisläufe, Substituierung von FCKW, alternative Kraftstoffe, neue Verkehrskonzepte. Das stärkt das Marken- und Unternehmensimage auf dem Umweltsektor am nachhaltigsten.“

Noch mehr als der Konkurrenzdruck treiben neugewonnene Erkenntnisse die Lenker von Industrie und Handel zu ökologischen Exerzitien: „Umweltschonende Warenproduktions-, Verpackungs- und Verteilungsweise erweist sich vielfach sogar kurzfristig als ökonomisch. Maximilian Gege vom „Bundesdeutschen Arbeitskreis Umweltbewußtes Management“ (BAUM): „Man spart schließlich Wasser, Energie, Abfälle, und das heißt doch, daß ich für das Unternehmen etwas tue, wenn ich wirtschaftlich arbeite.“ Der Arbeitskreis, dem nach Geges Angaben jährlich 80 bis 100 Firmen beitreten, verlangt von seinen Mitgliedern ökologische Schwachstellenanalysen ihrer Unternehmen. Gege: „Wenn man intelligente, integrierte Umweltschutztechniken anwendet, das heißt, im Vorfeld dafür sorgt, daß man am Ende der Kette gar keine Technik braucht, dann spart man sehr viel Geld.“

Der Öko-Schwenk als solcher „wird zum ,Produkt‘, für das Marketing betrieben werden kann“ – so die Erkenntnis eines Computer- Giganten. Auch ein Kaffee-Röster redet deshalb jetzt nicht mehr von den braunen Bohnen. „Wir wollen ,Umwelt‘ als gewinnbringendes Thema einsetzen“, so die Marketing-Chefin. Die „ökologisch verbesserte Verpackung“ (nur noch alu-bedampft, Reduzierung des Aluminium-Aufwands: 99Prozent) hat schließlich zehn Millionen Mark gekostet.

Es spricht sich herum, daß sich „wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz nicht als Widerspruch“ entgegenstehen (Horizont). Die Schweizer Lebensmittelkette Migros exerzierte das in den letzten zehn Jahren ganz pragmatisch vor: Neben ökonomischen wie ökologischen Vorteilen – unter anderem stieg der Migros-Energieverbrauch nur um vier Prozent, der eidgenössische Durchschnitt jedoch um 15 – erzielte der Genossenschaftskonzern ein Umsatzplus von 51 Prozent.

Wissenschaftler wie der Präsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Ernst Ulrich von Weizsäcker („Eine Tonne Müll sind 700 Kilo falsche Rahmenbedingungen und 200 Kilo Denkfaulheit“), dürften angesichts solcher Erfolge Gehör finden. Seine Devise: „Umweltschutz muß zum Gewinn-Gewinn- Spiel werden – Gewinn für die Umwelt, Gewinn für die Wirtschaft.“

Die traditionelle Betrachtungsweise von Geschäften als Kette von Wertschöpfungen – an deren Ende sich jetzt zusätzlich „Umweltschutz“-Geschäfte (Sammlung, Recycling, Verwertung) anhängen – ist passé. Die wirtschaftsrevolutionäre Zauberformel heißt „Wertschöpfungs-Ring“, so Valentin von Massow von der Beratungsfirma Boston Consulting in Top Business. Richtig ökonomisch wird es nämlich erst, wenn ein Unternehmen den gesamten Produktzyklus – vom Ausgangsrohstoff bis zur (Wieder-)Verwertung der Materialien selbst in der Hand hat, als geschlossenes System managt, kontrolliert – und somit überall die Werte abschöpfen kann.