Im Osten breite Zustimmung für Engholms Asylkurs

■ Auf dem Sonderparteitag der brandenburgischen SPD in Senftenberg brachte Wolfgang Thierse die Delegierten auf Petersberger Linie, nur die Jusos übten Kritik

„Wenn wir den Asylstreit nicht zu Ende bringen und zu einem fundierten Entschluß kommen, dann werden wir zukünftig auch in allen anderen Fragen nicht gehört werden.“ Wolfgang Thierse, der prominenteste ostdeutsche Sozialdemokrat und stellvertretende SPD- Vorsitzende, umriß auf dem Sonderparteitag der Brandenburgischen SPD gestern in Senftenberg, für wie eng führende SozialdemokratInnen den Entscheidungsspielraum in der sogenannten Asylfrage halten. Nach „quälender innerer Auseinandersetzung“ habe er, Thierse, sich Engholms Kurs angeschlossen. Eindringlich forderte der SPD-Vize die brandenburgischen SPD-Delegierten auf, dem SPD-Sofortprogramm zuzustimmen, also den Petersberger Beschlüssen, die eine Änderung des Artikels 16 und deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen der UNO vorsehen.

Nur 20 Delegierte stimmten denn auch gegen die Petersberger Linie. Wie erwartet, bekommt Engholm aus den neuen Ländern die breiteste Zustimmung. Nur die Jusos und der Ortsverein Potsdam-West hatten eigene Anträge zur Beibehaltung des Artikels 16 eingebracht. Der brandenburgische Juso-Vorsitzende, Thomas Büttgen, kritisierte, der Petersberger Kurs mache die SPD „nicht regierungs-, sondern nur koalitionsfähig – und dies mit einer Partei, die durch Untätigkeit Hoyerswerda und Rostock ermöglicht hat“. Die CDU werde „keine Ruhe geben, bis das Grundrecht auf politisches Asyl ganz abgeschafft ist“. Häufigstes Argument der Juso-RednerInnen war, die SPD dürfe „den Steinewerfern auf den Straßen“ nicht nachgeben. Noch vor einem Jahr habe auch der Brandenburgische SPD-Vorsitzende Steffen Reiche beteuert: „Der Art.16 Abs.2 ist mit uns nicht zu ändern.“

Für die Petersberger Beschlüsse setzten sich auch Potsdamer Regierungsmitglieder, darunter Innenminister Ziel und Landwirtschaftsminister Zimmermann, ein. Viele BefürworterInnen, so auch Thierse, argumentierten vorwiegend aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen für das SPD-Sofortprogramm, das sowohl in der Industrie wie auch in der Landwirtschaft und Sozialpolitik eine Umkehr zugunsten der Ostdeutschen fordert.

Doch die Asyldiskussion, so Thierse, rücke die SPD als „eine tief verunsicherte Partei“ ins Blickfeld und nicht als Opposition, die die bessere Einheitspolitik machen könne. Zwar beute die CDU die Ängste der Bevölkerung aus und mache aus der Asylproblematik ein Wahlkampfthema, doch könne auch die SPD nicht vernachlässigen, daß eine „paralysierte Politik“ in der Zuwanderungsfrage am Ende wegen der zunehmenden Parteienverdrossenheit die Demokratie gefährde. Auch deshalb müßten sich die SozialdemokratInnen zu einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“ mit der Regierungskoalition bereit finden.

Thierse wandte sich entschieden gegen den Rechtsradikalismus und sagte, man müsse ihm mit „allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten“. Am Nachmittag brachte der Landesvorstand der brandenburgischen SPD einen Antrag ein, die „Deutsche Alternative“ zu verbieten. Einstimmig wurde eine Resolution angenommen, mit der alle brandenburgischen SPD-Mitglieder und die Bevölkerung aufgefordert werden, am 8. November in Berlin gegen Haß, Terror und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Bettina Markmeyer, Senftenberg