Vom jugendlichen Leichtsinn zum Tod

■ Anführer einer jugendlichen Autoknackerbande wegen Körperverletzung vor Gericht Mitglieder der Bande waren zwar am Tatort, halten sich vor Gericht aber bedeckt

Moabit. „Dann knallte es“, sagte die 24jährige Ex-Verlobte des Angeklagten. „Was knallte denn da?“ fragte Richter Handke. „Björns Kopf auf die Steine“, antwortete die Zeugin lapidar. Wie es dazu kam, will sie nicht gesehen haben, obwohl sie sich in unmittelbarer Nähe aufhielt. Gestern begann vor der 9. Strafkammer des Berliner Landgerichts der Prozeß gegen den Anführer einer jugendlichen Autoknackerbande, den 19jährigen Karsten L. – angeklagt wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Er soll nach einem Streit am 17. März dieses Jahres auf den 15jährigen Björn L. eingeprügelt haben. Ein Fußtritt führte schließlich dazu, daß der Junge mit dem Kopf auf das Pflaster schlug. Noch in der gleichen Nacht erlag er seinen Verletzungen.

Der Angeklagte und sein Opfer kannten sich. Beide gehörten zu einer Gruppe von Friedrichsfelder Jugendlichen, die Autos klauten oder aufbrachen, um die Radios zu stehlen. Der 19jährige Karsten brachte als Hehler die heiße Ware unter die Leute.

Warum sich der Angeklagte am Abend des 17. März so vehement an dem jüngeren und schwächeren Björn vergriff, das vermochte er selbst vor Gericht nicht zu erklären. Geärgert habe er sich schon früher über ihn, da dieser die schlechte Angewohnheit besaß, gestohlene Wagen nicht weit von der Friedrichsfelder Wohnung des Angeklagten abzustellen: „Ich habe ihm gesagt, er soll sie woanders hinstellen.“ Und am Tag vor der Tat soll Björn eine Beule in den Wagen des Angeklagten gefahren haben.

An diesem Abend habe er in einer Kneipe mit Freunden Billard gespielt und ein paar Bier getrunken. Eigentlich wollte er sich in der Kneipe mit Manuela treffen, mit der er damals noch verlobt war. Da sie gegen 22.30 Uhr noch nicht da war, zog er mit dem 17jährigen Marcel B. und dem 16jährigen Daniel K. los. Sie brachen ein Auto auf und stahlen das Radio. Als er alleine nach Hause fuhr, bemerkte er, daß Manuela mit Björn und einem weiteren Freund in ihrem Auto saß. „Alle aussteigen“, habe er gesagt. Nur Björn habe sich „vor lauter Angst“ geweigert. Also habe er ihn vors Schienbein getreten, und Björn stieg aus. Wütend habe er ihm Backpfeifen gegeben, bis Björn heulend auf dem Boden saß. Inzwischen stießen auch die zwei Freunde wieder dazu, die beim Autoaufbruch ihre Handschuhe liegen gelassen hatten. Marcel beschimpfte Björn, der immer noch am Boden hockte. Vor Gericht erzählte der elegant gekleidete Marcel, daß er ihn „mehr oder weniger ermahnt“ hat, „weil er Scheiße gebaut hat“. Drei Tage zuvor will er gesehen haben, wie „Björn durch eine Schulstraße mit 110 gerast ist“. Der heulende Björn habe geschrien: „Was willst du denn jetzt reden, du Fotze!“ Und da habe ihm der Angeklagte „eine gelatscht“. Mit der Fußspitze habe er zugetreten, und Björns Kopf sei „auf Beton geknallt“. Der Angeklagte versuchte zu erklären: „Ich war so sauer und erregt, daß Björn, der immer noch am Boden saß, mir gerade recht kam.“

Obwohl der Angeklagte selbst diesen Tritt gestanden hat, wollen ihm seine Freunde offenbar helfen. Keiner von den dreien will gesehen haben, wie viele Tritte es gegen Björn gegeben hat. Und auch Manuela hat just in diesem Moment den Hund aus dem Auto geholt, und „pissen lassen“. Aber alle vier Zeugen beschwören, wie besorgt sie um Björns Zustand waren, als sie merkten, daß er sich nicht mehr regte und dann den Angeklagten losschickten, um den Notarzt zu verständigen. „Kommen sie mir nicht schon wieder mit ihrer Hilfe“, wütete Richter Handke. Ralf Knüfer